Kaokoland – der einsame Nordwesten Namibias
Tagebuch einer Reise in eine vergessene Welt
von Hartmut Schlichter
Prolog
Es ist dieser allgegenwärtige Staub, der durch alle Ritzen kriecht, durch Lüftung und Klimaanlage ins Wageninnere dringt, sich auf alle Sachen legt. Der einen blind ins Nichts fahren lässt, wenn man einem anderen Fahrzeug begegnet. Den man auf der Zunge schmeckt, den man riecht. Der einen verzweifeln lässt, den man irgendwann verflucht und zu bekämpfen schließlich aufgibt. Und der doch irgendwie dazugehört.
Es ist dieses gleichmäßige Brummen des Motors, wenn es auf glatter Pad in zügiger Fahrt vorangeht. Es ist dieses Rumpeln auf übler Waschbrettpiste, das jeden und alles durcheinanderschüttelt. Und es ist dieses gequälte Stöhnen des Motors, wenn die Fahrt über grobes Felsgestein oder durch feinen Tiefsand führt.
Es ist diese unglaubliche Trockenheit, diese erbarmungslose Sonne, die das Land ausdörrt und verbrennt, und es ist dieses erfrischende Gefühl beim Anblick letzter Reste von Wasser, selbst wenn es sich nur noch um eine schmutzige Brühe handelt.
Es ist diese empfindliche Kühle des Morgens und diese unerträgliche Hitze des Mittags, wenn nicht nur die Sonne, sondern auch die Erde, der Sand, die Steine die gespeicherte Wärme abstrahlen und man verzweifelt einen schattigen Platz sucht. Und es ist dieses unbeschreibliche Licht in der letzten Stunde des Tages, wenn die Sonne alles in warme Farben hüllt, kurz bevor sie in rasanter Fahrt in den Horizont eintaucht und innerhalb kürzester Zeit die dunkelste Nacht mit den geheimnisvollen Geräuschen des Buschs hereinbricht.
Es ist dieser unbeschreibliche Sternenhimmel unter dem Kreuz des Südens, mit einer Milchstraße, die zum Greifen nahe scheint, mit Sternen, die durch kein der Zivilisation entstammendes Licht in ihrer Leuchtkraft beeinträchtigt werden.
Es ist dieses beschaulich-geschäftige Treiben in den Orten und das fröhliche Winken der Menschen auf ihren Eselskarren. Es ist diese oft unerträgliche Armut, die milde Gaben nicht wirklich zu lindern vermögen, und es ist die Dankbarkeit und das Lächeln, wenn man versucht, ein wenig zu helfen.
Es ist dieser gotterbärmliche, um ein Almosen bettelnde Krüppel mit den verdrehten Beinen, dem Grinsen eines Idioten und ein paar Münzen in seiner Pappschachtel, der sich, nur Sekunden später, als eine fröhlich lärmende Menge vorbeizieht, wie durch ein Wunder geheilt, in einen tanzenden Derwisch verwandelt. Und der wieder zu dem armseligen Bettler wird, als die Menge seinen Blicken entschwunden ist. Im ersten Moment ist man erbost ob der Dreistigkeit, mit der er seinen Mitmenschen Mitleid und Geld entlockt, doch einen Augenblick später verzeiht man ihm in dem Glauben, dass solch hohe Schauspielkunst belohnt werden muss.
Es ist dieses Afrika, dieses Namibia, das einen manchmal verzweifeln und doch immer wiederkehren lässt.
Zuletzt aktualisiert am Dienstag, den 22. Februar 2011 um 22:01 Uhr
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