Verfasst: Oktober 2007
Unplugged im Ampere in München
20.September 2007
Um viertel nach neun verlischt das Licht und eine zierliche Person in dunklen Hosen mit zu kurzen Hosenbeinen, weißem Hemd und Hosenträgern betritt die Bühne. Irgendwie erinnert sie an Pippi Langstrumpf. Und das nicht nur ihres Aussehens wegen. Manchmal wirken ihre Bewegungen auf der Bühne etwas linkisch und unbeholfen. Erfrischend unprofessionell und sympathisch. Vom Kunstbetrieb noch nicht blankpoliert.
Seit ich vor einem guten halben Jahr die erste CD (Separation Road) von ihr hörte, zählt die junge Schwedin mit der unglaublichen Stimme zu meinen persönlichen Favoriten. Zumeist leise, melancholisch wirkende, gelegentlich an Leonhard Cohen erinnernde Liebeslieder gehören zu ihrem Repertoire. Ihre dunkle und doch kristallklare, auch in den leisesten Zwischentönen nie brechende Stimme ist unverwechselbar. Abseits vom persilgewaschenen und lenorgespülten Mainstream der Musikindustrie finden sich oft echte Juwele. So war es für mich ein Muss, ihr mittlerweile drittes Live-Konzert in München zu besuchen.
Ihre Band, so erklärte sie eingangs, sei auf Solotournee, deshalb müsse das Publikum mit ihr allein vorlieb nehmen. Gewissermaßen die “Naked version” ihrer Songs (im Falle von “Separation Road” gefällt mir die als Zugabe mitgelieferte CD besser als die reguläre Version). So begleitete sie sich selbst auf einer der drei akustischen Gitarren und einem Klavier, beides elektronisch verstärkt. Bei einigen Stücken kam dezenter Rhythmus von der Konserve hinzu, nicht ganz so gelungen, wie ich fand, aber akzeptabel.
So entstand eine ruhige, fast intime Atmosphäre. Während des gesamten Konzerts verharrte das Publikum in Schweigen, und oft hätte man die berühmte Stecknadel fallen hören können. Was (um)fiel, waren nur leere Bierflaschen…
Beim ersten Song rutschte Anna Ternheim eine hartnäckige Haarsträhne immer wieder ins Gesicht, was beim Spiel auf der Gitarre behinderte. Prompt nahte Hilfe aus dem Publikum. In Form einer Haarspange. Persönlich übergeben.
Ihre Stimme klingt auch live wirklich so wie auf den CDs. Da ist nichts geschönt, nichts elektronisch aufpoliert, lediglich verstärkt. Gegen Ende des Konzerts bat jemand aus dem Publikum darum, das Mikrofon und den Gitarrenverstärker abzuschalten. Real unplugged sozusagen. Für diesen Versuch war ihre Stimme dann doch nicht voluminös genug, so dass sie bald wieder zum Mikrofon griff. Aber wer von den etablierten Künstlern gibt sich schon solchen Experimenten hin…
Es war ein unvergesslicher Konzertabend, geprägt von vorwiegend leisen und melancholischen Tönen. Anna Ternheim beherrscht ihr Handwerk als Singer und Songwriter, wobei sie gekonnt Stilelemente aus Folk, Blues und Jazz einflicht. Auf ihr nächstes Album darf man gespannt sein…
© QuiverTree 2007
Links
Website von Anna Ternheim (deutsch)
Website von Anna Ternheim (englisch)