Es gibt wohl kaum ein Thema in der Digitalfotografie, mit dem sich so viele Mythen und Legenden verbinden. Und leider auch so viele Unklarheiten. Wenn man sich einmal durch ein paar der zahllosen Bücher, Artikel oder Blogs zum Thema Farbtemperatur und Weißabgleich liest, stößt man z.B. auf Formulierungen wie:
Die Überbringer dieser Strahlung (gemeint ist Licht) können wir uns als kleine Teilchen vorstellen, die eine bestimmte Schwingung haben.
oder:
Die Geschwindigkeit der Schwingung wird im Falle von Licht meist in der Wellenlänge angegeben.
Einem Naturwissenschaftler stehen bei solchen Formulierungen die Haare zu Berge. Niemand verlangt von einem Fotografen, dass er die Plancksche Strahlungsfunktion aus dem Effeff kennt, um den Begriff “Farbtemperatur” erklären zu können, aber wenn man sich schon auf dieses Gebiet begibt, sollte man sich um eine korrekte Ausdrucksweise bemühen. Das geht auch (fast) ohne komplizierte Formeln. Ich möchte deshalb an dieser Stelle versuchen, eine möglichst allgemeinverständliche, aber physikalisch korrekte Darstellung dessen zu geben, was sich hinter dem Begriff “Farbtemperatur” und der damit zusammenhängenden Thematik des Weißabgleichs verbirgt.
Farbtemperatur: Allgemeines
Es gibt eine empfehlenswerte, allgemeinverständliche und trotzdem physikalisch korrekte Darstellung der Thematik “Farbtemperatur und Weißabgleich” unter http://www.filmscanner.info/Farbtemperatur.html. Dort wird, ohne zu sehr ins Detail zu gehen, erklärt, was es mit dem Begriff “Farbtemperatur” auf sich hat. Ich fasse mich deshalb an dieser Stelle kurz.
Der Begriff “Farbtemperatur” ist eng verknüpft mit dem Begriff des “Schwarzen Körpers”. Dabei handelt es sich um einen Körper, der alle elektromagnetische Strahlung (so auch das sichtbare Licht, das ja nur ein kleiner Ausschnitt des elektromagnetischen Spektrums ist) vollständig absorbiert. Der Schwarze Körper ist eine physikalische Abstraktion, in der Natur gibt es keinen wirklich Schwarzen Körper. Es gibt aber solche, die dem Ideal des Schwarzen Körpers sehr nahe kommen.
Jeder Körper in unserer Umwelt emittiert elektromagnetische Strahlung. Diese emittierte Strahlung gehorcht einer bestimmten Verteilung, die über die Wellenlänge aufgetragene emittierte Energie hat irgendwo ein Maximum. Wie groß der Betrag der Strahlung ist und bei welcher Wellenlänge das Maximum liegt, hängt einzig und allein von der Temperatur des Körpers und dessen Oberflächeneigenschaften ab. Das Stefan-Boltzmann-Gesetz (benannt nach den Physikern Josef Stefan und Ludwig Boltzmann) drückt in einfacher Form den Gesamtbetrag der emittierten Strahlung aus:
E = ε*σ*T4
T ist die absolute Temperatur, gemessen in Kelvin (K), die man aus der Celsius-Temperatur erhält, indem man 273,15 addiert. σ ist die Stefan-Boltzmann-Konstante, eine universelle Naturkonstante. ε schließlich ist das Emissionsvermögen des Körpers. Ein schwarzer Körper hat ein Emissionsvermögen von ε = 1, alle realen Körper haben ein ε < 1. Der Schwarze Körper ist also nicht nur ein perfekter Absorber, sondern er emittiert von allen Körpern gleicher Temperatur T auch die größte Energie.
Das zweite wichtige Gesetz in diesem Zusammenhang, das uns dann auch unmittelbar zur Farbtemperatur führt, ist das Wiensche Verschiebungsgesetz (benannt nach dem Physiker Wilhelm Wien). Es besagt, dass das Produkt aus der absoluten Temperatur des strahlenden Körpers und der Wellenlänge, bei der das Maximum der emittierten Energie liegt, eine Konstante ist:
λmax * T = const.
Und damit sind wir bereits bei der Farbtemperatur: ein Schwarzer Körper der Temperatur T emittiert ein Strahlungsspektrum, dessen Maximum bei der Wellenlänge λmax liegt. Mit anderen Worten: aus der spektralen Verteilung der von einem Schwarzen Körper emittierten Strahlung können wir über λmax auf dessen (Oberflächen-)Temperatur schließen. Das und nichts anderes heißt es, wenn man sagt, dass eine Lichtquelle die Farbtemperatur T habe. Man könnte ebenso sagen, die Lichtquelle emittiere Licht mit einer spektralen Verteilung, deren Maximum bei λmax liegt. Es hat sich in diesem Falle so eingebürgert, dass man einfach von der Farbtemperatur spricht.
Farbtemperatur: die Sonne als Schwarzer Strahler
Unser Zentralgestirn ist nicht nur Voraussetzung für alles Leben auf der Erde, die Sonne ist auch für uns Fotografen die bedeutendste Lichtquelle. Die Sonne ist ein glühender Gasball mit einer Oberflächentemperatur von etwa 5800 K, und sie ist darüber hinaus ein nahezu perfekter Schwarzer Strahler mit einer Farbtemperatur von 5800 K. Das Spektrum der abgestrahlten Energie reicht von etwa 200 nm (UV) bis etwa 3 μm (Infrarot). Die Mischung aller im Spektrum enthaltenen Farben empfindet unser Auge als farbloses (weißes) Licht. Das Maximum der ausgestrahlten Energie liegt nach dem Wienschen Verschiebungsgesetz bei etwa 500 nm, also in grün-gelben Bereich. Wen wundert es, dass unser Auge bei genau dieser Wellenlänge seine größte Empfindlichkeit hat. Das Auge ist gewissermaßen ein Abbild der Sonne, geschaffen während einer über viele Jahrmillionen währenden Evolution.
In Büchern oder diversen Artikeln zur Farbtemperatur findet man unterschiedliche Angaben zur Farbtemperatur des Sonnenlichts. Sie hängt z.B. von der Tageszeit und der Bewölkung ab. Wie kann es z.B. sein, dass die Farbtemperatur des Sonnenlichts vom Sonnenstand abhängt? Die Sonne hat doch (hoffentlich) immer die gleiche Oberflächentemperatur!? Diesem scheinbaren Widerspruch wollen wir nun nachgehen.
Das Sonnenspektrum entspricht genau genommen nur dann dem eines Schwarzen Strahlers der Temperatur 5800 K, wenn wir es außerhalb der Erdatmosphäre detektieren würden. Die Erdatmosphäre verändert nämlich z.T. recht erheblich die Kurve des Sonnenspektrums. Verantwortlich dafür sind Absorptions- und Streuprozesse in der Atmosphäre.
Die in der Atmosphäre hauptsächlich enthaltenen Gase Sauerstoff, Ozon, Kohlendioxid und Wasser (gasförmig) absorbieren einen Teil der Sonnenstrahlung. Dadurch entstehen Lücken in der ansonsten perfekten Verteilungsfunktion des Schwarzen Strahlers, die prinzipielle Form der Kurve bleibt aber erhalten.
Die Luftmoleküle der Atmosphäre sind außerdem für ein weiteres Phänomen verantwortlich: sie streuen das Sonnenlicht. Streuung heißt, dass ein Hindernis, in diesem Fall das Luftmolekül, einen einfallenden Lichtstrahl in viele verschiedene Richtungen umverteilt. Das entscheidende an der sog. Rayleigh-Streuung (benannt nach dem Physiker Lord Rayleigh) ist nun, dass ihre Intensität umgekehrt proportional der vierten Potenz der Lichtwellenlänge ist. Das bedeutet, dass die blauen (kurzwelligen) Anteile des Sonnenlichts etwa 16 mal so stark gestreut und damit in alle Richtungen umverteilt werden, wie die roten (langwelligen) Anteile. Diese Rayleigh-Streuung ist somit verantwortlich für die blaue Färbung des Himmels und darüber hinaus für die Rotfärbung des Himmels am Morgen und Abend: dann nämlich ist der Weg des Lichts durch die Atmosphäre infolge des streifenden Einfalls so lang, dass ein Großteil der blauen Anteile aus der Sichtlinie des Beobachters herausgestreut wird und überwiegend rote Anteile übrigbleiben.
Die rein thermisch bedingte Spektralverteilung des Schwarzen Strahlers Sonne wird innerhalb der Atmosphäre durch die nicht-thermischen Prozesse Absorption und Streuung so verformt, dass, je nach Tageszeit, blaue oder rote Anteile überwiegen. Die nach Absorption und Streuung resultierende Spektralverteilung ließe sich durch keinen Schwarzen Körper erzeugen. Trotzdem benutzt man dieses Modell, um dem entstandenen Licht eine Farbtemperatur zuzuordnen: man schaut einfach nach, bei welcher Wellenlänge das entstandene Licht sein Intensitätsmaximum hat, und erhält nach dem Wienschen Verschiebungsgesetz die zugehörige Farbtemperatur. Noch einmal: ein Schwarzer Körper mit dieser Farbtemperatur würde nicht (!) das gewünschte Spektrum erzeugen, lediglich die Maxima beider Kurven stimmen per definitionem überein.
Nun haben wir die Ursache für die Veränderung der Farbtemperatur des Sonnenlichts im Tagesverlauf geklärt. Morgens und abends überwiegen rote Anteile, über Mittag blaue Anteile. Wolken am Himmel verändern ebenfalls die Farbtemperatur des Sonnenlichts, ebenso wie dichte Bewölkung oder Nebel. Es mag paradox klingen, dass die Farbtemperatur bei Nebel deutlich über der bei blauem Himmel liegt, aber das liegt ganz einfach an ihrer Definition.
Farbtemperatur: andere Lichtquellen
Neben der Sonne gibt es natürlich noch andere, für einen Fotografen interessante Lichtquellen. Nehmen wir z.B. Kerzenlicht, welches durch ein brennendes Gas emittiert wird. Mit dem bisher erworbenen Wissen ist es relativ leicht einzusehen, dass Kerzenlicht eine Farbtemperatur von etwa 1500 K hat, entsteht es doch durch einen thermischen Prozess. Ähnlich verhält es sich mit Glühlampenlicht, welches je nach Leistung der Glühlampe Farbtemperaturen von 2600…3000 K hat.
Schwieriger wird es schon mit Halogenlicht (3200 K) oder Neonlicht (4000 K). Neonlicht sollte entsprechend seiner Farbtemperatur eigentlich warm erscheinen, wirkt auf uns aber ausgesprochen kühl. Ursache dafür ist, dass die Entstehung von Neonlicht gänzlich verschieden ist von der thermisch bedingten Entstehung einer Schwarzkörperstrahlung. Eine nähere Erläuterung würde uns aber zu weit weg von unserem eigentlichen Thema führen.
Farbtemperatur in der analogen Fotografie
Mit dem Problem unterschiedlicher Farbtemperaturen von Tages- und Kunstlicht und der sich über den Tagesverlauf ändernden Farbtemperatur des Sonnenlichts hatte auch schon die analoge Farbfotografie zu kämpfen. Für diese Zwecke gibt es Tages- und Kunstlichtfilme, die auf die unterschiedlichen spektralen Eigenschaften dieser Lichtarten abgestimmt sind. Dem Problem der sich im Tagesverlauf ändernden Farbtemperatur des Sonnenlichts begegnet man mit Rot- und Blaufiltern: in den Morgen- und Abendstunden verhindert man mittels eines Blaufilters einen Rotstich, zur Mittagszeit setzt man einen Rotfilter gegen einen drohenden Blaustich ein. Die Vormittags- und Nachmittagsstunden sind lichttechnisch problemlos. Die Filter gibt es in verschiedenen Stärken, so dass man für jedes Licht ein probates Mittel hat, um Farbstiche zu verhindern.
Man kann natürlich auch zuviel des guten tun: wenn man versucht, mittels eines entsprechend starken Blaufilters einen Rotstich bei Sonnenauf- oder -untergang zu verhindern, filtert man die ganze Atmosphäre des Augenblicks mit weg. Es kommt also, abgesehen von der wissenschaftlichen Fotografie, nicht immer darauf an, eine Lichtsituation exakt und ohne Farbstich zu reproduzieren, hier kommt eine künstlerisch-gestaltende Komponente ins Spiel.
Wie stark man die Farbtemperatur einer Lichtsituation durch den Einsatz von Filtern korrigieren sollte, hängt immer von der konkreten Situation ab. Bei einer Landschaftsaufnahme mit Sonnenauf- oder -untergang wird man im Interesse des Erhalts der Stimmung nur wenig oder gar nicht filtern. Die eventuell im Bild zu sehende Sonne und die langen Schatten lassen den Betrachter an der Eindeutigkeit der Situation nicht zweifeln. Dann stört ein u.U. vorhandener Rotstich nicht. Anders verhält es sich, wenn man z.B. eine detailreiche Nahaufnahme (Porträt o.ä.) bei rötlichem Licht anfertigen möchte. Der Betrachter des Bildes kann nicht erkennen, um welche Tageszeit es sich handelt, und dann würde ein Rotstich ziemlich störend wirken und sollte korrigiert werden.
Die Korrektur eines Farbstichs mittels Filtern wird uns später bei der Besprechung des Weißabgleichs in der Digitalfotografie noch einmal begegnen.
Weißabgleich: Allgemeines
Während eines Tages können wir den unterschiedlichsten Lichtsituationen ausgesetzt sein: Tageslicht in all seinen Nuancen, Glühlampenlicht, Kerzenlicht, Neonlicht, Mondlicht. Unser Auge im Zusammenspiel mit dem Gehirn führt dabei ständig einen Weißabgleich durch. Ein weißes Blatt Papier oder ein weißes Hemd sieht für uns bei jeder Beleuchtung weiß aus, ganz einfach weil unser Gehirn das so gelernt hat. Es stellt sich auf die besondere Lichtstimmung ein. Man nennt dies “chromatische Adaption”.
Digitalkameras sind nicht so intelligent: wenn dort ein Weißabgleich eingestellt ist, der nicht zur Farbtemperatur des Lichtes passt, erhält man einen mehr oder weniger starken Farbstich. Die meisten Digitalkameras bieten einen automatischen Weißabgleich an, der folgendermaßen arbeitet: der Bildprozessor sucht sich die hellste Stelle im Bild aus und nimmt an, dass diese weiß ist. Dann verschiebt er die Farben des gesamten Bildes so, dass die vermeintlich weißen Stellen auch weiß werden. Sind die hellsten Stellen auch tatsächlich weiß (oder neutralgrau), dann funktioniert dieser automatische Weißabgleich bestens. Andernfalls erhält die Aufnahme einen mehr oder weniger starken Farbstich.
Am besten ist es natürlich, wenn man während der Aufnahme eine Graukarte oder einen Weißabgleichsfilter verwendet. Damit lassen sich schon zur Zeit der Aufnahme oder später im RAW-Konverter neutrale Grauwerte exakt reproduzieren.
Weißabgleich im RAW-Konverter
Im folgenden wird vorausgesetzt, dass im RAW-Modus fotografiert wird, denn nur bei RAW-Bildern lässt sich ein vorhandener Farbstich korrigieren oder eine gezielte Veränderung der Farbtemperatur verlustfrei vornehmen. Ich selbst bevorzuge es, im Normalfall mit automatischem Weißabgleich zu arbeiten. Er ist in mehr als 90% aller Fälle eine gute Ausgangsbasis für einen manuellen Weißabgleich im RAW-Konverter.
Nachfolgend beschreibe ich den Prozess des nachträglichen Weißabgleichs anhand von Adobe Photoshop Lightroom, für andere RAW-Konverter gilt sinngemäß das gleiche. Nach dem Import der Fotos von meiner Canon EOS 5D Mark II in Lightroom ist der erste Entwicklungsschritt der Weißabgleich. Auch Lightroom bietet einen automatischen Weißabgleich, wobei mich persönlich der Canon-eigene automatische Weißabgleich mehr überzeugt.
Manchmal sind mir allerdings die Bilder, so wie sie aus der Kamera kommen, vom Farbton her zu warm, d.h. mit zu vielen Rotanteilen versehen. Dann kommt der Weißabgleich von Lightroom zum Einsatz. Dafür gibt es nun mehrere Möglichkeiten.
Befindet sich im Bild definitiv eine neutralgraue Fläche, dann hat man die besten Karten. Mit der Pipette pickt man sich diese Fläche heraus und erzielt damit gute Ergebnisse. Man denke aber immer an folgendes: eine neutralgraue Fläche reflektiert natürlich nur dann ein neutrales Grau, wenn sie mit weißem (farblosem) Licht beleuchtet wird. Hat das Licht z.B. einen erhöhten Rotanteil, dann spiegelt sich das natürlich in dem von der Fläche reflektierten Licht wieder. Führt man den Weißabgleich auf diese Fläche durch, zerstört man u.U. die gewünschte Lichtstimmung. Man muss von Fall zu Fall entscheiden, welche Wirkung man erzielen will.
Der in Lightroom voreingestellte Weißabgleich “Tageslicht” erzeugt für meinem Geschmack etwas zu warme Töne. Außerdem haben wir gelernt, dass es das Tageslicht nicht gibt. Man kann sich diverse Vorgaben kreieren, die die Farbtemperatur für verschiedene Tageslichtsituationen simulieren, z.B. Vormittags-/Nachmittagssonne, Mittagssonne, Morgen- und Abendsonne, jeweils mit und ohne Bewölkung etc.
Die flexibelste Methode ist natürlich die, den Weißabgleich über die Farbtemperatur numerisch einzustellen. Dafür gibt es in Lightroom den Weißabgleichsregler:
Im Handbuch zu Lightroom 3 steht dazu folgendes:
Hiermit wird der Weißabgleich anhand der Kelvin-Farbtemperaturskala angepasst. Verschieben Sie den Regler nach links, um das Foto kühler wirken zu lassen, und nach rechts, um die Farben des Fotos wärmer erscheinen zu lassen.
Schiebt man den Regler “Temp” nach links, erhält das Bild mehr Blauanteile, schiebt man ihn nach rechts, wird das Bild ins rötliche verschoben. Das deckt sich zwar mit der farblichen Hinterlegung des Reglers, aber wie bitteschön passt das denn mit dem zusammen, was wir bisher gelernt haben? Den Regler nach links zu schieben, bedeutet, eine kleinere Farbtemperatur einzustellen. Eine kleinere Farbtemperatur wiederum bedeutet einen wärmeren Farbton, was im Widerspruch zu zu dem steht, was im Bild zu sehen ist. Genauso habe ich argumentiert, als ich das erste Mal mit dem Kelvin-Regler von Lightroom konfrontiert wurde.
Nun kommen uns unsere Erfahrungen und Kenntnisse aus der Analogfotografie zugute. Stellen wir uns einmal folgende Situation vor: in unserer Digitalkamera ist der Weißabgleich auf eine Farbtemperatur von 5500 K eingestellt, was dem Licht der Sonne in den Vormittags- und Nachmittagsstunden bei unbewölktem Himmel, also weißem Tageslicht entspricht. Für einen Analogfotografen würde das bedeuten, dass er einen (Dia-)Tageslichtfilm in der Kamera hat.
Nun fotografieren wir eine im Schatten liegende Szene in den Mittagsstunden, was einer Farbtemperatur von 9000…12000 K entspricht, also wesentlich mehr, als in der Kamera eingestellt. In Lightroom betrachtet weist das Bild einen deutlichen Blaustich auf. Der erfahrene Analogfotograf wäre diesem drohenden Blaustich von vornherein mit einem Rotfilter begegnet, da er im Gegensatz zum Digitalfotografen keine Möglichkeit mehr hat, einen Farbstich nachträglich zu korrigieren.
In Lightroom machen wir aber genaugenommen nichts anderes, als das, was der Analogfotograf bereits während der Aufnahme getan hat: wir setzen nachträglich einen (virtuellen) Rotfilter vor die Linse. Wir ziehen den Temp-Regler nach rechts und teilen Lightroom mit: das Licht hatte zur Zeit der Aufnahme eine höhere Farbtemperatur (Regler nach rechts), als an meiner Kamera eingestellt, setze bitte einen Rotfilter vor und mache das Bild ein wenig röter.
Ähnliches passiert, wenn eine Szenerie in den frühen Morgen- oder Abendstunden aufgenommen wurde. Das Licht hat nun eine Farbtemperatur von etwa 3500 K, was im Bild einen deutlichen Rotstich erzeugt. Der Analogfotograf hätte in diesem Fall einen Blaufilter vor das Objektiv gesetzt. Der Digitalfotograf macht dies nachträglich in Lightroom. Indem er den Temp-Regler nach links zieht, weist er Lightroom an, die ins rötliche verschobene Farbtemperatur des Lichts zur Zeit der Aufnahme zu korrigieren, was dem Vorsetzen eines Blaufilters entspricht.
Die wichtigste Schlussfolgerung aus diesen Überlegungen ist folgende: der Kelvin-Wert des Temp-Reglers hat nichts mit dem Farbton des Bildes im RAW-Konverter zu tun, sondern er bezieht sich auf das Licht, das während der Zeit der Aufnahme herrschte.
Man denke aber immer daran, dass die nachträgliche Einstellung der Farbtemperatur kein objektiver, wissenschaftlich eindeutiger Vorgang ist, es ist immer eine subjektive Komponente dabei. Der eine mag lieber kühlere Farben in seinen Fotos, der andere bevorzugt eher warme Farben. Und mit dem korrekten Wegfiltern eines Farbstichs kann die Stimmung eines Fotos komplett zerstört werden.
Ich frage mich immer wieder, warum die falsche Bezeichnung Regler genannt wird, obwohl das Panel Einstellungen heißt?
Wenn immer von Regler gesprochen wird, dann müßte das Panel doch logischerweise Regelungen heißen.
Die Panelbezeichnung ist aber richtig, nur dort sind keine Regler, dort sind Einsteller!
Was ist ein Regler? Was macht ein Regler?
Was ist ein Einsteller? Was macht ein Einsteller?
Regler ist eine Automatik!
Ein Einsteller ist zur manuellen Einstellung eines Wertes!
Ein Regler ist ein Bestandteil eines Regelkreises, der automatisch arbeitet.
Für einen Laien macht das oft leider keinen Unterschied zwischen einem Regler und einem Einsteller.
Zum Vergleich: Wer tritt z. B auf den Tempomat (Regler) anstelle auf das Gaspedal (Einsteller).
Gibt es einen Unterschied zwischen einem Farbtemperatur Regler und einem Farbtemperatur Einsteller?
Ja – den gibt es, zwischen Automatik und manueller Einstellung.
Regler = automatisch, Einsteller = manuell.
Selbst Adobe kennt den Unterschied nicht!!! Zu mindestens nicht auf ihren deutschen Seiten!
Danke für den Hinweis. Der Einwand bzgl. des Begriffs “Regler” ist aus rein technischer Sicht vollkommen berechtigt. Umgangssprachlich hat sich aber der Begriff “Regler” auch für manuelle Einsteller etabliert. Der Lautstärkeregler an einem Radio oder Verstärker ist das beste Beispiel, Lautstärkeeinsteller klingt, obwohl korrekt, etwas sperrig. Das ist so ähnlich wie mit Schraubenzieher und Schraubendreher.