Ein Dia-Abend – was war das doch gleich?

Es ist schon ein paar Jahre her, dass Dia-Abende auszurichten oder bei Freunden zu besuchen, etwas ganz Normales war. Nach dem Essen versammelte man sich bei einem Glas Wein im Vorführraum, das Licht wurde gelöscht oder gedimmt und der Dia-Projektor begann, mehr oder weniger leise zu summen. Die Vorstellung konnte beginnen.

Meist waren es die Dias vom letzten Urlaub, mit denen man versuchte, das geneigte Interesse der Zuschauer auf sich zu ziehen. Je nach Qualität der Fotos, der untermalenden Musik und des Könnens des Vortragenden, mit seinen Erzählungen die Zuschauer bei Stange zu halten, vernahm man im Halbdunkel leises Raunen, anerkennende Worte oder auch – seliges Schnarchen.

Wenn man heute junge Menschen fragt, ob sie wüssten, was ein Diapositiv sei, erntet man oft nur ungläubiges Kopfschütteln. Dass man mit Hilfe der kleinen, in einen weißen oder grauen Rahmen gefassten Filmschnipsel ein formatfüllendes Bild auf die Leinwand werfen kann, können sie sich nicht so recht vorstellen.

1994 gilt offiziell als das Startjahr der Digitalfotografie, aber Digitalkameras mit brauchbaren Pixelzahlen zu erschwinglichen Preisen gab es erst gegen Ende der 1990er Jahre. 1996 schaffte die Polaroid PDC 2000 gerade mal ein Megapixel. Die Olympus Camedia C 2000 brachte es 1999 auf zwei, und die Canon EOS 1D 2003 auf sechs Megapixel.

Damit man ein digitales Foto auch auf die Leinwand bringen konnte, brauchte man ein dem Dia-Projektor vergleichbares Gerät, welches heute unter dem Namen Beamer jedem Kind bekannt ist. Die Entwicklung der Beamer hinkte der der Digitalfotografie aber noch um ein paar Jahre hinterher.

So gab es für mich noch Mitte der 2000er Jahre keine Veranlassung, an der Überlegenheit eines guten Dias in Verbindung mit einem hochwertigen Dia-Projektor gegenüber einem digital projizierten Bild auch nur den geringsten Zweifel zu hegen.

Wenn man seinerzeit professionelle Dia-Vorträge besuchte, war man ob der verwendeten Technik schon ziemlich beeindruckt. Da waren wenigstens zwei, oft aber auch drei, vier oder mehr Projektoren mit Rundmagazinen im Einsatz, um nahtlose Überblendungen zwischen einzelnen Fotos zu erreichen und raffinierte Bildkompositionen auf die Leinwand zu bringen. Unterstützt wurde alles von einer professionellen Tontechnik, um insgesamt aufwendige audiovisuelle Emotionen transportieren zu können.

Als engagierter Hobbyfotograf entschied ich mich Anfang der 2000er Jahre für den Einsatz eines von der deutschen Firma Rollei produzierten Projektors namens Rolleivision Twin MSC 525. Es handelt sich dabei meines Wissens bis heute um den weltweit einzigen Projektor,  mit dessen Hilfe man mit einem einzigen Gerät aus nur einem Magazin Überblendtechniken realisieren konnte. Rollei war seinerzeit für seine Präzisionsmechanik und -optik weltbekannt, legendär waren und sind die Rolleiflex-Spiegelreflexkameras.

Absolut unbefriedigend am Rolleivision Twin war die mitgelieferte Steuerungssoftware DiaEdit. Damit komplexe Dia-Shows zu erstellen, war aufwendig, fehleranfällig und unkomfortabel, von der fehlenden Möglichkeit der Einbindung von Audio-Inhalten einmal abgesehen. Es gab zwar Alternativen in Form von m.objects und Stumpfl Wings, die aber eher auf Mehrprojektorensysteme ausgelegt waren und den einzigartigen Rolleivision Twin mit einem nicht ganz logischen Bedienkonzept bedachten. Vom damaligen Preis dieser AV-Software-Systeme einmal ganz abgesehen.

So begann ich Anfang der 2000er Jahre, kleine Scripts zu schreiben, um die Möglichkeiten von DiaEdit zu erweitern. Wirklich befriedigend war aber auch diese Vorgehensweise nicht, und so entschloss ich mich, ein eigenes Steuerprogramm für den Rolleivision Twin zu schreiben. Es entstand in vielen Stunden meiner damals noch knapp bemessenen Freizeit das Programm TwinLightControl. Hätte ich zu Beginn meiner Entwicklungsarbeiten gewusst, wieviel Zeit am Ende in das Projekt fließen würde, hätte ich es sicher nicht in Angriff genommen. Ich beschloss dann, die in das Programm eingeflossenen Erfahrungen auch anderen Rolleivision-Twin-Besitzern zur Verfügung zu stellen und das Programm gegen eine, gemessen an meinem zeitlichen Aufwand, sehr geringe Shareware-Gebühr zu vertreiben. Das war auch die Geburtsstunde der Website www.quivertree.de. Im Jahre 2003 wurde die erste Version von TwinLightControl freigegeben, bis ins Jahr 2011 wurde das Programm weiterentwickelt. Seitdem gibt es nur noch Bugfixes und Anpassungen an neue Windows-Versionen. 

Mitte der 2000er Jahre begann die technische Entwicklung der Digitalfotografie enorm an Fahrt aufzunehmen, die Qualität der digital erzeugten Bilder erreichte schnell ein Niveau, wie ich es noch wenige Jahre zuvor nicht für möglich gehalten hatte – eine krasse Fehleinschätzung meinerseits. So versuchte auch ich im Jahre 2009 den Einstieg in die Digitalfotografie, mit einer Canon EOS 5D Mark II. Anfangs spielte ich noch mit dem Gedanken, meine Dias auf Film ausbelichten zu lassen. Aber Qualität und Preis überzeugten mich nicht wirklich. Auch die Entwicklung der Beamer war inzwischen enorm vorangeschritten, wenig später folgte dann für mich die Anschaffung meines ersten Digital-Projektors, eines Epson EH-TW 3500. Interessanterweise sprechen auch heute noch viele von einer Dia-Show, obwohl sie eigentlich eine Multimedia-Show meinen.

Die Vorteile der Digitalfotografie von der Aufnahme des Fotos bis zu dessen Projektion auf der Leinwand sind unbestritten, ich nenne hier nur einige wenige:

  • Hochwertige Filme, deren Entwicklung und die Rahmung der Dias sind teuer; es kommt hinzu, dass die Zahl der wirklich guten Labors zur Entwicklung analoger Filme inzwischen sehr überschaubar ist
  • Die ungefähr 40 Dia-Filme, die ich früher auf längere Reisen mitnahm, waren nicht nur ein bedeutender Posten im Reisegepäck, sie mussten auch unbeschadet durch die zahlreichen Röntgenkontrollen an den Flughäfen gebracht werden; heute nehmen ein paar Speicherkarten nicht einmal den Raum einer Zigarettenschachtel ein
  • Dias nehmen viel Platz in Anspruch und müssen sachgemäß gelagert werden, andernfalls hat man keine lange Freude an brillanten Fotos
  • Digitalfotos beanspruchen, insbesondere wenn man in RAW fotografiert, zwar auch viel Speicherplatz, aber heute stehen jedermann riesige Speichermedien zu kleinen Preisen zur Verfügung
  • Die Möglichkeiten, bei der digitalen Projektion, raffinierte Bildkompositionen auf die Leinwand zu bringen, sind gegenüber der analogen Schiene um ein Vielfaches größer, wobei ich aber immer versuche, mich nicht in Effekthascherei zu verlieren; wie so oft gilt: weniger ist mehr
  • Digital-Projektoren erzeugen heute hellere, schärfere und brillantere Bilder, als dies mit Dia-Projektoren je möglich war; und wenn irgendwann die vollständige Produktionskette von der Aufnahme des Fotos bis hin zu seiner Projektion auf 10, 12 oder 14 Bit Farbtiefe Standard geworden sein wird, sollte auch den letzten Kritikern der Wind aus den Segeln genommen sein 
  • Bild und Ton können sekundenbruchteilgenau aufeinander abgestimmt werden
  • Und das Beste: sieht man einmal von speziellen Panorama-Shows ab, geschieht alles unter Verwendung von nur einem Beamer

Inzwischen habe ich ein Großteil meines Dia-Archivs digitalisiert und der Rolleivision Twin kommt nur noch gelegentlich zum Einsatz. Ich bin also in der digitalen Welt angekommen und nutze ihre Vorteile, so hoffe ich, mit Bedacht. Adobe Lightroom Classic und m.objects sind inzwischen meine wichtigsten Werkzeuge. Immer mit dem Wissen im Hinterkopf, wie alles einmal begann. 

Natürlich hatte die Analogfotografie auch unbestrittene Vorteile. Jedes Dia war ein Unikat, Manipulationen am Bild waren nur sehr schwer zu machen. Und das Gefühl, das da im Halbdunkel ein Projektor mit greifbaren Bildern, den Diapositiven, mehr oder weniger leise vor sich hin werkelte, war einmalig.

So gibt es auch heute noch eine kleine Gemeinde unerschrockener Enthusiasten und Puristen, die nach wie vor Dias projizieren. Ich merke das an den gelegentlichen Nachfragen wegen eines Problems oder einer neuen Lizenz für TwinLightControl. Und ich verstehe die Motivation dieser Dia-Liebhaber. Aber ich bin überzeugt, dass in zehn bis fünfzehn Jahren auch die letzten Dinosaurier der Analogfotografie aufgegeben haben oder ganz einfach ausgestorben sein werden. Dann geht tatsächlich eine Ära der Fotografie zu Ende, die man fortan allenfalls noch im Museum wird bewundern können.

Bis dahin stelle ich meinen treuen Kunden und auch solchen, die es vielleicht noch werden wollen, weiterhin TwinLightControl zum Download zur Verfügung. Wer seine Lizenz (kostenlos) erneuern oder eine neue Lizenz erwerben will, der kann sich unter twinlightcontrol@quivertree.de melden. Unter dieser E-Mail werden auch alle anderen Belange, Hinweise, Fehlermeldungen u.dgl. entgegengenommen.

Wer mehr über TwinLightControl wissen möchte, kann sich hier informieren.

Das Internet ist sehr schnelllebig und die Anpassung meiner alten Website an die neuen Erfordernisse hätte unverhältnismäßig viel Zeit in Anspruch genommen. Deshalb habe ich mich entschlossen, die Website neu aufzusetzen und nach und nach wieder mit Leben zu erfüllen. Wer alte Inhalte vermissen sollte, kann sich gern bei mir melden. Die Website mit meiner Foto-Galerie www.gallery.quivertree.de bleibt bestehen und wird weiter aktualisiert. Des weiteren bin ich in der fotocommunity aktiv.

An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an alle, die ihr Vertrauen in TwinLightControl gesetzt und mich über die vielen Jahre der Entwicklung des Programms begleitet haben. Mir hat es Spaß gemacht.

Mit besten Grüßen

H. Schlichter
QuiverTree

Hier noch ein paar interessante Informationen zur Geschichte der Dia-Fotografie und -Projektion:
https://www.fotomagazin.de/technik/analoge-fotografie/der-dia-abend-geschichte-der-dia-projektion

QuiverTree
Author: QuiverTree

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