Verfasst: Ende 2012
Eine Reise durch den Süden Perus
Juni 2012
Im Juni 2012 führte uns eine Reise durch den Süden Perus. Stationen unseres Trips waren u.a. Lima, Huacachina, Arequipa, der Colca-Canyon, der Titicaca-See, Cusco, Machu Picchu und der Regenwald bei Puerto Maldonado.
Peru war unser erstes südamerikanisches Land und die Reise unsere erste Gruppenreise. Bisher waren wir stets individuell unterwegs, weil wir gern selbst entscheiden, an welchem Ort wir etwas länger verweilen, weil es uns dort besonders gut gefällt. Das ist natürlich bei einer Gruppenreise nicht möglich. Nichtsdestotrotz hat der Veranstalter Papaya Tours es verstanden, uns drei unvergessliche Wochen zu bescheren.
Die Reise war thematisch und logistisch gut geplant, eine ausgewogene Mischung aus Kultur- und Naturerlebnis. Beides darf in einem Land wie Peru natürlich nicht fehlen. Die Reiseroute war so gewählt, dass eine allmähliche Anpassung an die ungewohnte Höhe erfolgte. Alles lief ab wie ein Schweizer Uhrwerk, an keiner Stelle war wirklich Improvisation gefragt. Fast schon unwirklich.
Sehr real hingegen war Montezumas Rache, die die meisten Teilnehmer unserer Reisegruppe in mehr oder minder schwerer Form ereilte. War der Auslöser ein Ceviche, eines der vielen anderen schmackhaften Fischgerichte oder einfach nur ein Schluck unbedacht getrunkenen Leitungswassers – wir werden es nie erfahren. Der Umsatz der Apotheken in Arequipa muss jedenfalls in den Tagen unseres Aufenthalts sprunghaft gestiegen sein.
Wesentlichen Anteil am Gelingen der Reise hatte unsere sympathische Reiseleiterin Tine. Mit Sachkenntnis und Engagement, immerwährender Geduld auch bei ausgefallenen Wünschen und ihrem einnehmenden Lachen hat sie es verstanden, uns Land und Leute nahezubringen. Auch Tines Assistentin Allison und die anderen lokalen Guides waren kompetente, bestens informierte und sehr gut deutsch sprechende Reisebegleiter.
Am Titicaca-See durften wir für ein paar Tage am Dorfleben der Einwohner von Llachón teilhaben. Der charismatische Dorfvorsteher Valentin erzählte uns von dem nicht immer einfachen Spagat zwischen traditioneller und moderner Lebensweise im heutigen Peru, von dem dennoch erfolgreichen Bemühen, den Verlockungen des Geldes nationaler und internationaler Investoren zu widerstehen.
Die Träger und Köche auf dem Inka-Trail haben Erstaunliches geleistet. Nachdem wir gestärkt den Frühstückstisch verlassen und uns mit mehr oder minder leichtem Gepäck auf die bevorstehende Tagesetappe begeben hatten, wurde von ihnen in Nullkommanichts das Lager geräumt. Irgendwann haben sie uns, leidensschwere Bündel auf dem Rücken, im Eilschritt überholt. Damit wir im nächsten Lager aufgebaute Zelte, warmes Waschwasser und ein fertiges Essen vorfinden. Eigentlich zu viel des Guten.
Die letzten beiden Tage im Regenwald waren ein gelungener Kontrapunkt zur rauen Natur des Andenhochlandes. In der idyllisch gelegenen Cayman Lodge am Río Tambopata hat unsere Reise durch ein faszinierendes Land einen würdigen Abschluss erfahren. Irgendwann, in nicht allzu ferner Zukunft, werden wir nach Peru zurückkommen.
¡Hasta la vista Perú!
Lima
Samstag, 2.Juni 2012
Unterwegs in der Hauptstadt Perus
Es ist gegen halb sechs Uhr. Im Flugzeug sieht es aus wie in einem Feldlager. Kissen, Decken, Handtaschen, Trinkflaschen, Bücher, alles ist über die Sitze und den Boden verstreut. Irgendwo schreit ein Kind. Der peruanische Vater in der Mittelreihe mit seinen zwei Kindern, die nun endlich schlafen, hat wahrscheinlich seit gestern Abend kein Auge zugetan. Die Menschen sehen müde und übernächtigt aus. Wir sind es auch, nach zwölf Stunden Nachtflug von Madrid nach Lima.
Am Abend zuvor waren wir in München gestartet. Bereits dort war uns ein jüngeres Pärchen aufgefallen, ähnlich funktionell gekleidet wie wir. Unsere spanische Maschine hatte gut eine Stunde Verspätung. Auf dem riesigen Madrider Flughafen eilen wir nachts um zwei Uhr, wegen der Verspätung in Zeitnot, durch die endlos langen, menschenleeren Gänge gemeinsam dem gleichen Ziel entgegen: dem Flieger, der uns nach Lima bringen soll.
Ich schaue aus dem Fenster. Trotz des Nebels ist die Küstenlinie, hinter der die Millionenstadt Lima liegt, gut zu sehen. Das Flugzeug ist inzwischen so tief gesunken, dass man Einzelheiten erkennen kann. Dichter Verkehr, wie wahrscheinlich in allen Metropolen um diese Zeit. Lima erwacht.
Am Flughafen empfängt uns Tine von Papaya Tours. Langsam finden sich die 15 Leute, aus denen unsere Reisegruppe besteht, zusammen. Draußen wartet bereits der Bus, der uns in unser Hotel Faraona im Stadtteil Miraflores bringt. Auf den Straßen herrscht reges Treiben, unser Bus kämpft sich tapfer durchs Gewühl des Berufsverkehrs.
Nach einem ordentlichen Frühstück folgt eine kleine Kennenlernrunde, jeder stellt sich und seine Erwartungen an die bevorstehenden drei Wochen kurz vor. Mein erster Eindruck: unsere Reisegruppe ist sowohl von der Altersstruktur als auch von der regionalen Herkunft und den Interessen her sehr ausgewogen. Ein Eindruck, der sich auf unserer gesamten Reise durch Peru bestätigen wird.
Dann geht es auf eine Stadtrundfahrt durch Lima. Der fehlende Schlaf der letzten Nacht macht zwar jedem zu schaffen, aber das Interesse auf alles Neue hält uns wach. Wir lernen unseren ersten lokalen Guide kennen. Egal mit welchem Reiseunternehmen, ob peruanisch oder international, man unterwegs ist, gilt die eiserne Regel: vor Ort führt ein lokaler Guide. Das klingt im ersten Moment restriktiv, ist aber eine vernünftige Lösung. Ein lokaler Guide kennt sich in der Regel am besten aus, zugleich gibt man auf diese Art und Weise einem Teil der ortsansässigen Bevölkerung die Chance, in Lohn und Brot zu kommen. Und gut ausgebildet waren alle Guides, die wir auf unserer Reise kennenlernten. Zudem sprachen fast alle ein ausgezeichnetes Deutsch. Beschämend für uns, die wir nur mit ein paar Brocken Spanisch aufwarten konnten.
Die Stadtrundfahrt führt uns hinunter an die Pazifikküste, in den Parque del Amor, zum Gran Hotel Bolivar, zur Plaza de Armas mit der riesigen Catedral de Lima. Die prunkvolle Ausstattung steht natürlich im Widerspruch zur verbreiteten Armut der peruanischen Bevölkerung. Aber wir werden auf unserer Reise erfahren, dass dieser Widerspruch für weite Teile der Bevölkerung nicht existiert. Ich habe noch in keinem anderen Land eine so tiefverwurzelte Gläubigkeit erlebt, wie in Peru. Gleichzeitig ist es für die meisten Leute völlig normal, wenn sie neben ihrem katholischen Glauben auch die aus der Inka-Zeit stammende Naturreligion praktizieren.
Das Kloster Iglesia y Convento San Francisco ist so groß und verwinkelt, dass man sich darin verlaufen kann. Die eigentliche Attraktion aber befindet sich in den erst 1951 entdeckten Katakomben des Klosters. Hier wurden Tausende von Toten bestattet, deren Gebeine in den düsteren Gängen ihre letzte Ruhestätte fanden.
Am Abend statten wir noch dem unweit unseres Hotels gelegenen Parque Central de Miraflores einen Besuch ab. Maler, Kunsthandwerker und andere Straßenkünstler hoffen, einige ihrer Werke an den Mann bringen zu können. In dem kleinen Amphitheater spielt eine Band peruanisch gefärbte Rockmusik, zu der Jung und Alt voller Enthusiasmus tanzen.
Lima – Huacachina
Sonntag, 3.Juni 2012
Von Lima zur Oase Huacachina
Wir müssen früh aus den Federn. Das wird noch oft so sein in diesen drei Wochen, da ein umfangreiches Programm auf uns wartet und meist große Strecken zurückgelegt werden müssen. Schließlich ist Peru mehr als dreieinhalb mal so groß wie Deutschland.
Unser Bus verlässt Lima in südlicher Richtung. Die Garúa beschert uns neblig-trübe Aussichten. Diese für die peruanische und chilenische Pazifikküste typische Wettererscheinung äußert sich mal als dichter Küstennebel, mal als tiefe, hochnebelartige Wolkenschicht. Im Winter kann sich die Garúa oft wochenlang halten. Die Küstenwüste Perus, die die natürliche Fortsetzung der chilenischen Atacama ist, verdankt der Garúa die einzige Feuchtigkeit, Regen fällt hier extrem selten. Entsprechend kahl und vegetationslos sind die Berge und Sanddünen.
Tine, unsere Reisleiterin, erzählt uns einige wissenswerte Fakten über Peru. Tine ist eine junge Deutsche aus dem Breisgau, hübsch, intelligent und sehr sympathisch. Sie ist mit einem Peruaner verheiratet, lebt seit zwei Jahren in Cusco und übermittelt uns Informationen aus erster Hand. Besser hätten wir es nicht treffen können.
Unterstützt wird Tine von der ebenso jungen und nicht minder hübschen Peruanerin Allison. Allison kommt ebenfalls aus Cusco, spricht sehr gut deutsch und wird demnächst selbst Reisen bei Papaya Tours führen. Unter Tines Fittichen bekommt sie ihren letzten Schliff. Für uns hat das den großen Vorteil, dass wir zwei Reiseführer(innen) haben. Von beiden erfahren wir viel Wissenswertes über Land und Leute, immer aus erster Hand, aber dennoch aus zweierlei Blickwinkeln.
Südlich von Lima erstreckt sich die Küstenwüste, die an der Grenze zu Chile in die Atacama übergeht. Der kalte Humboldtstrom vor der Küste Südamerikas ist verantwortlich für die Garúa. Einige wenige, an die extreme Trockenheit angepasste Wüstenpflanzen beziehen ihre Feuchtigkeit aus dem Küstennebel. Landwirtschaft ist an der Costa nur dort möglich, wo die Flüsse, die das Andenhochland entwässern, schmale grüne Oasen geschaffen haben.
Tine erzählt uns von der Landflucht der Bevölkerung, wie die großen Städte, allen voran Lima, stetig wachsen. Zur Erschließung neuer Gebiete, wie hier südlich von Lima, schließt man sich zusammen, besetzt über Nacht Land. Nacktes, karges Land. Man baut provisorische Hütten, hisst eine peruanische Fahne und stellt dann Forderungen an die Regierung: Wasser- und Stromanschluss, Verkehrsanbindung, Eintrag ins Grundbuch. Nach ein, zwei Jahren wird dann ein solides Haus aus Steinen gebaut, und das ganze Procedere wiederholt sich an anderer Stelle, da die Bevölkerung ständig wächst. So entstehen immer neue Siedlungen, die pueblos jovenes.
Der Staat sieht meist tatenlos zu, kommt seiner Verantwortung, vorausschauend zu planen und für alle Zugang zu den Ressourcen zu schaffen, nicht nach. In Zeiten von Wahlkämpfen wird diese Siedlungspolitik oft instrumentalisiert.
An einer Tankstelle in Chincha Alta machen wir Rast. Interessiert beobachten wir das bunte Treiben entlang der Hauptstraße. Am auffälligsten sind die grellfarbenen, dreirädrigen Mototaxis. Zwischen zwei Fahrten werden sie von ihren Besitzern liebevoll gepflegt. Ein Taxi zu kaufen oder auch zu mieten ist in Peru eine vielgenutzte Möglichkeit, sich selbst einen Job zu verschaffen. Peruaner sind in dieser Beziehung sehr erfindungsreich. Wer gar nichts anderes hat, verkauft eben irgendetwas. Es ist zwar für uns als potentielle Käufer manchmal etwas lästig, wenn man zum zwanzigsten Mal einen Sonnenhut angeboten bekommt, obwohl man, gut sichtbar, bereits einen solchen auf dem Kopf trägt. Doch sollte man sich vergegenwärtigen, dass es für viele Peruaner oft die einzige Möglichkeit darstellt, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
Wir fahren weiter in Richtung Süden, vorbei an Baumwollplantagen (hier wächst die qualitativ hochwertige Pima-Baumwolle), an riesigen Plätzen, wo Chilischoten zum Trocknen ausgebreitet sind. Gegen Mittag – der Küstennebel hat der Sonne inzwischen weichen müssen – machen wir Halt in einem kleinen Vorort von Ica. In einer Pisco-Brennerei erfahren wir Wissenswertes über das peruanische Nationalgetränk. Zum Mittagessen können wir die verschiedenen Sorten des hochprozentigen Getränks verkosten, doch wegen der drückenden Hitze lassen wir Vorsicht walten. Schließlich haben wir Gelegenheit, etwas von dem köstlichen, im Geschmack ein wenig an Grappa erinnernden Schnaps, käuflich zu erwerben.
Am späten Nachmittag erreichen wir unser Tagesziel, die Oase Huacachina. Die Lagune der Oase wird von einem unterirdischen Andenfluss gespeist, der jedoch langsam zu versiegen droht. Die Dünen von Huacachina zählen mit 100 Metern Höhe zu den größten Perus. In den Dünen gibt es die Möglichkeit, an einer mit speziell ausgerüsteten Buggys veranstalteten Sandrallye teilzunehmen. Wir entscheiden uns indessen dafür, die direkt hinter der Oase emporstrebende hohe Düne zu Fuß zu erklimmen. Wüste, Motorenlärm und Abgasgestank gehören irgendwie nicht recht zusammen.
Das Ersteigen einer Düne ist – wer es schon einmal praktiziert hat, weiß das – ein mühsames Unterfangen. Gleichwohl eines, das sich lohnt. Vom Dünenkamm genießen wir einen fantastischen Ausblick auf die Umgebung. Auf den Dünen jenseits der Oase können wir das quirlige Treiben der Sandrallye beobachten. Langsam versinkt die Sonne am Horizont. In der Ferne zieht ein Lastwagen bei seiner Fahrt über die Sandpiste eine lange Staubfahne hinter sich her. Ohne Eile machen wir uns an den Abstieg zurück zur Oase, die still und friedlich im fahlen Licht des aufgehenden Mondes liegt.
Huacachina – Nazca
Montag, 4.Juni 2012
Von Huacachina über die Islas Ballestas zu den berühmten Nazca-Linien
Heute liegt abermals ein langer Tag vor uns, am Abend wollen wir in Nazca sein, einer Kleinstadt in der Nähe der berühmten gleichnamigen Scharrbilder (Geoglyphen). Nach dem Frühstück verlassen wir Huacachina und fahren ein paar Kilometer zurück bis in den Hafen von Paracas. Dort steigen wir auf ein Boot um, das uns hinaus zu den Islas Ballestas bringt. Diese kleine Gruppe unbewohnter Felsinseln liegt etwa 15 Kilometer vor der Küste und gehört zum Nationalreservat Paracas.
Auf dem Weg zu den Inseln kommen wir am Candelabro de Paracas, dem Kerzenleuchter von Paracas vorbei. Über Ursprung und Bedeutung dieser riesigen Scharrzeichnung sind sich die Experten nicht einig. Fakt ist nur, dass sie seit vielen Jahren erfolgreich Wind und Wetter trotzt.
Auf den Islas Ballestas leben unzählige Seevögel – unter ihnen Blaufußtölpel, Pelikane und Humboldt-Pinguine – denen die Felszacken ideale Brutplätze und das Meer unermessliche Fanggründe bieten. Auf den begehrten Felsbänken direkt über der Wasserlinie räkeln sich viele Mähnenrobben. Wir werden von den Bewohnern dieser kleinen Inselgruppe mit lautem Geschrei begrüßt, ganz offensichtlich sind wir nicht sehr willkommen.
Zurück in Paracas besuchen wir ein kleines Hafenrestaurant, wo wir unser erstes Ceviche, ein typisch peruanisches Gericht aus rohem Fisch probieren. Sehr wohlschmeckend, doch mit weitreichenden Folgen, wie sich später zeigen wird.
Wir sind erneut auf der Panamericana in Richtung Süden unterwegs. Hinter Ica erstrecken sich beidseits der Straße ausgedehnte Kakteen-Felder. Unser Bus macht halt und Tine erläutert uns, was es damit auf sich hat. Auf den Kakteen ist ein weißer Belag zu erkennen, völlig unscheinbar. In der weißen Wachshülle verbergen sich die flügellosen Weibchen der Cochenille-Schildlaus. Zerreibt man sie zwischen den Fingern, tritt der in den Körpern der Schildlaus gespeicherte Farbstoff Carminsäure zum Vorschein. Er wird seit Jahrhunderten als Färbemittel verwendet. Heute wird er vor allem als Kosmetik-Farbstoff eingesetzt.
An einem Pass hält unser Bus erneut. Von hier aus hat man einen faszinierenden Blick ins Valle de Palpa. Das grüne, fruchtbare Tal verdankt seine Existenz den Flüssen Río Palpa und Río Ingenio, die bei der kleinen Stadt Palpa das Andenhochland entwässern.
In einem winzigen Ort direkt an der Panamericana Sur gibt es ein kleines Museum, das an die deutsche Mathematikerin und Geografin Maria Reiche erinnert. Ihr Name ist aufs engste mit den Lineas de Nazca verknüpft, den weltberühmten Geoglyphen, die heute zum Weltkulturerbe zählen. Wir erreichen die Ebene von Nazca am späten Nachmittag. Unser Bus hält auf einem kleinen Parkplatz direkt gegenüber dem Metallturm (Torre Metalica), den Maria Reiche errichten ließ. Wir steigen hinauf und blicken über das riesige Hochplateau. Es wird von Bergen eingerahmt, deren Gipfel sich fast 1000 Meter über die Ebene erheben. Jetzt im Licht der tiefstehenden Sonne hat dieser Ort tatsächlich etwas Magisches, Mystisches an sich. Vom Turm aus soll man drei der Scharrbilder von Nazca erkennen können: die Hände, den Baum und die Eidechse. Es ist jedoch nicht einfach, die Figuren zwischen den von hirnlosen Autofahrern verursachten Fahrspuren auszumachen.
Der Bus bringt uns bis in die kleine Stadt Nazca. Wir beziehen unser Hotel und besuchen danach ein Restaurant. Seit einigen Stunden rumort es heftig in meinem Gedärm, möglicherweise war das Ceviche nicht mehr in Ordnung. So begnüge ich mich zum Abendessen mit Schonkost. Doch bin ich nicht der einzige, den Montezumas Rache ereilt hat.
Nazca
Dienstag, 5.Juni 2012
Zu den Stätten der indianischen Hochkulturen: Chauchilla, Cahuáchi, Lineas de Nazca
Während der Nacht hat sich das anfängliche Rumoren im Darm in eine handfeste Diarrhoe verwandelt. Sie wird mich trotz medikamentöser Behandlung noch eine Woche lang begleiten. Schwacher Trost: nicht nur mir geht es so, die meisten Mitglieder unserer Reisegruppe hat es mehr oder minder schwer erwischt.
Wir besuchen heute verschiedene Stätten der indianischen Hochkulturen. Zunächst geht es zum Cementerio Chauchilla (Necropolis de Chauchilla), einer Begräbnisstätte aus der Vorinkazeit. Grabräuber haben während der vergangenen Jahre ganze Arbeit geleistet. So gut wie alle Grabbeigaben, die irgendeinen Wert besaßen, wurden entwendet. Übriggeblieben sind lediglich die Gebeine der Toten, die hier nach indianischem Brauch in liegender, hockender oder sitzender Stellung bestattet wurden.
Nächste Station ist Cahuáchi, eine Kultstätte aus der Zeit der Nazca-Kultur, vom Beginn unserer Zeitrechnung bis etwa 500 n.Chr. Die in den 1980er und 1990er Jahren ausgegrabenen Stufenpyramiden aus luftgetrockneten Ziegeln sind bis zu 30 Meter hoch.
Am heutigen Nachmittag steht uns etwas ganz besonderes bevor, nämlich ein Rundflug über die Nazca-Linien. Im Terminal des kleinen Flughafens herrscht reger Betrieb, ein Flug über die Hochebene von Nazca gehört zu den Highlights eines jeden Peru-Urlaubs. Wir werden gewogen, damit die Besetzung der einmotorigen Kleinflugzeuge möglichst gut austariert werden kann. Nach einer ganzen Weile dürfen wir in unserem Flugzeug Platz nehmen, vier Passagiere und zwei Piloten. Im dem kleinen Flieger ist es eng, heiß und laut. Wir bekommen Kopfhörer, in der Tasche des Sitzes vor uns steckt eine Tüte. Für alle Fälle. Manche vertragen die Seitenlage in den engen Kurven, die der Pilot fliegen wird, nicht.
Der Flug selbst ist weniger erhellend, als ich mir das erhofft hatte. Es hängt sicher auch damit zusammen, dass wir kurz nach Mittag unterwegs sind. Eine tiefstehende Sonne am frühen Morgen oder kurz vor Sonnenuntergang hätte den Linien mehr Struktur gegeben. So ist es, trotz der Erklärungen und Hinweise des Piloten, gar nicht einfach, die einzelnen Figuren am Boden auszumachen. Nach einer halben Stunde sind wir zurück auf der Erde. Manchen aus unserer Gruppe, die von ihrem Flug zurückkommen, ist die Erleichterung anzusehen.
Am Abend geht unsere Gruppe in ein nahegelegenes Restaurant. Ich bleibe im Hotel und lege mich schlafen, allein bei dem Gedanken an Essen wird mir schlecht. Montezuma hat mich fest im Griff.
Nazca – Arequipa
Mittwoch, 6.Juni 2012
Über die Panamericana Sur von Nazca nach Arequipa
Heute liegt ein reiner Fahrtag vor uns. Ziel ist Arequipa, die Weiße Stadt. Knapp 600 Kilometer sind es bis dahin. Unsere beiden Fahrer werden die lange Strecke in gewohnt souveräner Manier bewältigen.
Nachdem die Sonne aufgegangen ist, wird es schnell heiß. Es ist geplant, etwa alle zwei Stunden eine kurze Rast einzulegen. Die werden wir auch brauchen, die Toiletten an den Rastpunkten sind stets sehr gefragt. Wir erinnern uns: Montezuma.
Gegen Mittag erleben wir etwas, wovon ich nicht geglaubt hätte, dass es das im ländlichen Peru gibt: einen Stau. Auf der Panamericana treffen wir auf viele Baustellen, die Straße muss ausgebessert oder erneuert werden, weil sie abgerutscht oder verschüttet worden ist. Doch ein Stau ist eine neue Erfahrung für uns. Wir machen es den Peruanern gleich und nehmen es gelassen. Fast zwei Stunden vergehen, bevor sich unser Bus in Bewegung setzt.
Unsere Mittagspause am Strand verschiebt sich dadurch in den frühen Nachmittag. Einige nutzen die Gelegenheit, ein kurzes Bad im Pazifik zu nehmen. Das Wasser ist kalt, eine Folge des Humboldtstroms. Kilometerlange Traumstrände aus feinem, hellem Sand, und – menschenleer.
Im weiteren Verlauf schlängelt sich die Panamericana in kühnen Serpentinen bergauf, bergab über die bis an die Küste strebenden Ausläufer der peruanischen Hochanden. Bei Pedegral queren wir ein grünes und fruchtbares Tal, welches einem der Flüsse aus dem Hochland zu verdanken ist. Noch bevor wir die Küste in Richtung Nordosten verlassen, geht die Sonne hinter den Bergen westlich von uns unter. Die restliche Strecke fahren wir im Dunkeln. Gegen 23 Uhr kommen wir in unserem Hotel in Arequipa an. Es war ein langer Tag, recht bald sind alle in ihren Betten verschwunden.
Arequipa
Donnerstag, 7.Juni 2012
Arequipa, die Weiße Stadt
Arequipa ist mit etwa einer dreiviertelmillion Einwohnern das politische, wirtschaftliche und kulturelle Zentrum des südlichen Perus. Für den Beinamen Weiße Stadt gibt es zwei Deutungen. Nach der einen rührt der Name von dem weißen Silar-Gestein vulkanischen Ursprungs her, das in vielen historischen Gebäuden im Zentrum der Stadt verbaut wurde. Die andere Deutung bezieht sich auf die helle Hautfarbe der einstmals im Stadtzentrum lebenden spanischstämmigen Bevölkerung. Der indigenen Urbevölkerung war es verboten, sich dort anzusiedeln.
Arequipa liegt auf über 2300 Metern Höhe, die Nähe der Stadt zur Pazifikküste beschert ein ganzjährig mildes und sonniges Klima. Beherrscht wird das Bild der Stadt von den allgegenwärtigen Vulkanen Misti (5822 m), Nevado Chachani (6057 m) und Pichu Pichu (5665 m). Der kegelförmige Misti ist das Wahrzeichen Arequipas und findet sich im Stadtwappen wieder.
Evelyn und ich sind schon früh aus den Federn, es ist wunderbares Wetter. Bis zum Frühstück ist noch ein wenig Zeit, so unternehmen wir einen kurzen Spaziergang. Zum ersten Mal sehen wir zwischen den Häusern den imposanten Kegel des Misti. Als wir zum Hotel zurückkommen, steht dort eine Frau mittleren Alters. Auf der steinernen Treppe vor dem Hotel hat sie einige Bilder ausgebreitet, mit folkloristischen Motiven im weitesten Sinne. Aber von einer Art, die uns beiden sofort gefällt. Juanita sei ihr Name, erzählt uns die Frau, und dass ihre Tochter die Bilder gemalt habe. Wir entscheiden uns für ein Aquarell mit einer Stadtansicht, im Hintergrund Vulkanberge, im Vordergrund eine typisch südamerikanische Kirche mit einer bunten Menschenmenge. Das Bild wirkt authentisch.
Nach dem Frühstück geht es auf Stadtrundfahrt. Unsere lokale Guide ist erneut eine junge peruanische Schönheit, mit großem Strohhut gegen die intensive Sonnenstrahlung. Zuerst bringt uns der Bus hinauf zum Mirador de Chilina, einem Aussichtspunkt am nordöstlichen Stadtrand von Arequipa. Zur Linken liegt der Chachani, zur Rechten der Misti, zwischen den beiden Vulkanen erstreckt sich ein grünes, fruchtbares Tal bis an den Rand von Arequipa. Ganz rechts und etwas weiter entfernt der Pichu Pichu. Ein traumhaftes Bild.
Danach besuchen wir den Mirador de Yanahuara. Der von Palmen gesäumte Platz liegt auf einem Hügel mitten in der Stadt. Hier befindet sich auch die Iglesia San Juan Bautista de Yanahuara. Auf dem Platz befinden sich viele Stände, an denen folkloristische Artikel verkauft werden. Auf dem Platz treffe ich auch Maria, die sich in ihrem farbenfrohen Gewand bereitwillig fotografieren lässt.
Unsere Gruppe steht gerade dicht beisammen und wir lauschen den Ausführungen des Guides, als der Boden unter unseren Füßen vibriert, so als führe ein Schwerlastzug an uns vorbei. Eine an der Hausmauer hängende Laterne schaukelt sacht vor sich hin. Was wir da gerade erleben, ist ein leichtes Erdbeben, wie es in Arequipa fast täglich verzeichnet wird. Diesmal war es allerdings stärker und länger als gewöhnlich, aber keines der schweren Beben, von denen die Stadt schon oft heimgesucht worden ist. Später werden wir erfahren:
Ein Erdbeben der Stärke 6,1 auf der Richterskala hat heute Vormittag um 11:03 Uhr Ortszeit die südperuanische Region Arequipa erschüttert. Wie aus dem jüngsten Erdbebenreport des peruanischen Institutes für Geophysik hervorgeht, lag das Epizentrum 19 Kilometer südwestlich von Chuquibamba (Provinz Condesuyo) in einer Tiefe von 110 Kilometern.
Wir besuchen die Iglesia de la Compañía, bevor wir zum zentralen Platz Arequipas kommen. Die Plaza de Armas wird beherrscht von der mächtigen Basílica Catedral de Arequipa. Auf dem Platz laufen die Vorbereitungen für die am Abend stattfindende Prozession Corpus Christi (Fronleichnam) auf Hochtouren. Kinder und Jugendliche präparieren auf dem Pflaster zahllose farbenfrohe Bilder mit biblischen Motiven.
Zu den bedeutendsten Sehenswürdigkeiten Arequipas zählt das Monasterio de Santa Catalina. Die Klosteranlage ist eine autarke Stadt in der Stadt, mit einer Grundfläche von etwa zwei Hektar. Auffallend an dem erst 1970 für die Allgemeinheit geöffneten Kloster ist seine maurisch geprägte Architektur. Rote, blaue und weiße Fassaden prägen das Bild der Klosteranlage. Geführt werden wir diesmal von einer anderen Peruanerin, wieder jung, wieder hübsch und wieder sehr gut Deutsch sprechend.
Nach dem Mittagessen besuchen wir den Mercado San Camilo. In der riesigen, überdachten Markthalle kann man so ziemlich alles kaufen, was man zum täglichen Leben braucht – oder auch nicht. Exotische Obst- und Gemüsesorten, unzählige Arten von Kartoffeln, Fleisch, Fisch, Hühnerfüße (!), Gewürze…, alles wird hier angeboten und findet auch Abnehmer. Wir besorgen uns auf Tines Rat hin einen Beutel mit Cocablättern – das Kauen derselben soll die Symptome der Höhenkrankheit lindern.
Am Abend kehren wir nochmals zur Plaza de Armas zurück und beobachten ein wenig die Fronleichnams-Feierlichkeiten. Faszinierend, zugleich aber auch fremd erscheint uns diesseitigen Europäern eine Welt, die das Paradies im Jenseits verspricht.
Arequipa – Cabanaconde
Freitag, 8.Juni 2012
Von Arequipa zum Cañón del Colca
Unser erster Weg an diesem Morgen führt in die Apotheke. Montezumas Rachefeldzug ist noch in vollem Gange.
Wir verlassen Arequipa in nordwestlicher Richtung. Die Straße Nummer 34A schlängelt sich kurvenreich stetig bergauf. Braune, fast vegetationslose Berge ziehen am Busfenster vorbei. Wir sind in der Pampa Cañahuasi, etwa 3800 m ü. NN. Die Straße führt am Rande der Salinas y Aguada Blanca Reserva Nacional entlang. Kleine salzhaltige Lagunen und in Büscheln wachsende Hartgräser bestimmen das Landschaftsbild.
Während der Busfahrt werden wir von Tine im Kauen von Cocablättern unterrichtet. Das soll die Symptome der Höhenkrankheit lindern helfen. Mir geht es heute gar nicht gut, meine schon den fünften Tag währende Diarrhoe hat eine handfeste Dehydrierung zur Folge. Hinzu kommt die ungewohnte Höhe, auf die uns der Bus zu schnell bringt. So hoffe ich, dass die Cocablätter ein Wunder bewirken.
Plötzlich tauchen in der Pampa rechts der Straße kleine Gruppen äsender Tiere auf. Es sind Vikuñas, eine der vier Kleinkamelarten der Anden und die wilde Urform der Alpakas. Vikuñas stehen heute unter strengem Schutz, ihre Wolle ist die teuerste Naturfaser der Welt und deren Nutzung nur streng limitiert erlaubt.
Später werden wir noch Alpakas und Lamas sehen. Letztere sind die domestizierte Form der nur noch selten anzutreffenden Guanakos. Die Wolle der Lamas ist nur bedingt zur Textilherstellung geeignet. Lamas dienen in erster Linie als Lasttiere, ihr Dung als Brennmaterial. Das Haarkleid der Alpakas hingegen liefert, je nach Herkunft und Verarbeitung, sehr feine und teure Wolle.
Wir erreichen Patahuasi, Oase und Kontrollpunkt auf knapp 4000 m ü. NN. Die beiden Vulkane Nevado Chachani und Misti, die unsere Fahrt seit Arequipa begleiten, thronen über der vegetationsarmen Pampa. Frauen in farbenfrohen Gewändern bieten handgefertigte, traditionelle Textilien zum Kauf an. Wir trinken einen sehr schmackhaften und anregenden Tee, der aus Cocablättern und Andenminze (Munia) zubereitet wird.
Die Straße schraubt sich kurvenreich weiter in die Höhe. Bald erreichen wir den höchsten Punkt unserer gesamten Reise, den Patapampa-Pass, 4910 m ü. NN. Am Mirador de los Volcanes hat man einen fantastischen Blick auf die Vulkane Sampato (6288 m) und Sabancaya (5976 m). Auch hier haben Frauen bunte Tücher und Gewänder auf provisorischen Steinmauern ausgebreitet. Die Luft ist jetzt schon spürbar dünn.
Auf uns wartet nun eine besondere Attraktion: wir werden die knapp 1300 Höhenmeter vom Pass bis hinunter nach Chivay mit dem Mountainbike zurücklegen. Helm, Mütze und Handschuhe sind unverzichtbar, es ist empfindlich kalt. In kühnen Windungen schlängelt sich die Bergstraße bis hinab ins Tal, an dessen Hängen zahlreiche terrassierte Felder kleben. Eineinhalb Stunden dauert die Fahrt bis nach Chivay, unterbrochen von mehreren Fotostopps.
In dem kleinen Ort Chivay (3650 m ü. NN) legen wir eine Mittagspause ein. Auf dem liebevoll angelegten zentralen Platz beobachten wir interessiert das bunte Treiben. Ein kleiner Junge zieht vorbei, mit einem Alpaka im Schlepptau. Eine Indio-Frau mit ihren drei Kindern lässt sich für ein paar Soles bereitwillig fotografieren.
Bis nach Cabanaconde, unserem Tagesziel, sind es noch knapp 60 Kilometer. Die Straße folgt dem Verlauf des Tals, das der Río Colca in knapp 100 Millionen Jahren geschaffen hat. Anfangs säumen zahlreiche terrassierte Felder die beiden Flussufer, später werden die Wände des Canyons steiler und höher, so dass keine Landwirtschaft mehr möglich ist. Am Cruz del Cóndor machen wir kurz Halt, hier kann man mit ein wenig Glück Kondore beobachten; im Moment sind aber keine in Sicht. Gegen 22:30 Uhr, als es schon lange dunkel ist, erreichen wir unser kleines Hotel La Posada del Conde in Cabanaconde.
Cañón del Colca
Samstag, 9.Juni 2012
Wanderung in den Colca-Canyon
1200 m misst der Höhenunterschied vom Rand des Canyons bis hinab zum Río Colca. Damit ist der Colca-Canyon nach dem Grand Canyon mit 1800 m der zweittiefste der Erde. Zählt man bis zum Gipfel der Fünftausender, die am Nordwestrand des Canyons liegen, ist der Colca-Canyon weitaus tiefer als der Grand Canyon, aber diese Zählweise ist wohl nicht ganz fair.
Wir sind heute schon früh auf den Beinen, es soll zu Fuß hinab in den Canyon und zurück gehen. Gestern abend hatte ich noch erwägt teilzunehmen, da ich das Gefühl hatte, dass ich langsam auf dem Weg der Besserung bin. Aber es wäre unvernünftig gewesen, in meinem Zustand die große körperliche Anstrengung zu wagen. Schließlich möchte ich den in ein paar Tagen beginnenden Inka-Trail nicht gefährden.
Auf dem Weg zum Rand des Canyons überqueren wir einige Felder, auf denen die hier ansässigen Menschen ihrer Arbeit nachgehen. Am Beginn des Abstiegs wartet wie immer ein lokaler Guide auf unsere Gruppe. Die Luft ist jetzt am Morgen noch angenehm kühl, aber es wird ein heißer Tag werden. Angela und Franz hat es genauso schwer erwischt wie mich; wir drei bleiben am Rand des Canyons zurück. Auf den steilen, kurvenreichen Pfaden entschwinden die Wanderer schnell unseren Blicken. Wir sitzen noch lange auf den Felsen über der Schlucht und genießen die Stille des Morgens.
Die auf der anderen Seite des Canyons gelegenen kleinen Dörfer sind durch kühne Pfade miteinander verbunden. Schön wäre es, ein paar Tage hier verweilen und die Gegend zu Fuß erkunden zu können.
Am frühen Nachmittag machen wir uns erneut auf den Weg von unserem kleinen Hotel zu dem Punkt, wo unsere Wanderer zurückkommen werden. Bald sind auch die ersten zu sehen. Die meisten haben von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Aufstieg vom Grund des Canyons nach oben teilweise auf dem Rücken von Maultieren zu bewältigen. Es ist heiß, selbst den Maultieren, die an Höhe und Hitze gewöhnt sind, fällt der Aufstieg nicht leicht. Ich steige ein Stück des Weges hinunter, den Reitern entgegen.
Margarethe, Martha, Hermann, Günther und Klaus haben die Mühsal des Aufstiegs auf eigenen Füßen auf sich genommen. Es dauert geraume Zeit, bis auch sie, einer nach dem andern, aus den Tiefen des Canyons auftauchen. Erschöpft, aber zufrieden.
Zum Abendessen ist unsere Gruppe wieder vollständig. Mit Einbruch der Nacht ist es erneut empfindlich kalt geworden. Trotzdem sitzen wir in dem kleinen Speisesaal, mit warmer Jacke und Mütze bekleidet, noch lange beisammen; schließlich gibt es viel zu erzählen.
Cabanaconde – Puno
Sonntag, 10.Juni 2012
Vom Colca-Canyon zum Titicaca-See
Bei einem zünftigen Frühstück nehmen wir Abschied von Cabanaconde und dem freundlichen Personal unseres kleinen Hotels. Gegen acht Uhr sind wir am Mirador Cruz del Cóndor. Der Kondor (Vultur gryphus) ist mit einer Flügelspannweite von über drei Metern der größte Raubvogel der Erde. Kondore sind vorrangig Aasfresser, aber durchaus auch in der Lage, ein Schaf zu schlagen. Bei guter Thermik können sich die zehn bis zwölf Kilo schweren Vögel bis in Höhen von 5000 Metern tragen lassen.
Pünktlich gegen neun Uhr tauchen die ersten Kondore auf. Einzeln oder zu zweit segeln sie majestätisch über den Colca-Canyon, an dessen Grund, 1200 Meter unter ihnen, der Río Colca als dünnes Band zu erkennen ist. Leider gelingt mir kein wirklich gutes Foto von den Kondoren, aber das ist während des eine gute halbe Stunde dauernden „Shootings“ auch nicht zu erwarten. Dazu müsste man erst einmal die Gewohnheiten der Vögel studieren und danach einen optimalen Standort wählen. Und dafür ist leider keine Zeit.
Zwischen dem Cruz del Cóndor und Maca machen wir noch einmal Halt. In unerreichbarer Höhe kleben in den steilen Felswänden, riesigen Hornissennestern gleich, Gräber aus der Collagua-Kultur. In solchen Höhlen wurden auch die Colcas, Behälter für Getreide und Namensgeber für den Canyon, aufbewahrt.
Unser nächster Zwischenstopp ist Maca, ein Andendörfchen mit einer eindrucksvollen Kirche. Erst 1991 wurde Maca durch ein mit dem Ausbruch des Vulkans Hualca Hualca einhergehendes Erdbeben fast vollständig zerstört.
Die Menschen in Maca sind natürlich auf die durchreisenden Touristen eingestellt. Für ein paar Soles steht eine Indio-Frau mit ihrem Alpaka für mich Modell. Das Alpaka hingegen ist an allem anderen mehr interessiert, als an mir und meiner Kamera. Ständig dreht und wendet es seinen Kopf in eine andere Richtung. Als seine Herrin meine verzweifelten Bemühungen, den richtigen Moment für ein Foto abzupassen, erkennt, sagt sie ein paar Worte zu ihrem Alpaka, woraufhin dieses unverzüglich eine mustergültige Haltung einnimmt. Es muss wohl etwas in der Art „Jetzt schau endlich mal zu dem Herrn mit dem Hut, der will uns fotografieren“ gewesen sein.
Weiter geht es, vorbei an Chivay, wo wir zwei Tage zuvor mit unseren Mountainbikes eintrafen. Mühsam kämpft sich unser Bus die steile und kurvenreiche Bergstraße zum Patapampa-Pass hinauf. An der Oase Patahuasi legen wir abermals eine kurze Pause ein und lassen uns erneut den aus Cocablättern und Andenminze zubereiteten Tee schmecken.
Kurz nach der Oase Patahuasi macht die Carretera Interoceánica, die Verbindungsstraße zwischen Pazifik und Atlantik, einen Schwenk in Richtung Nordost. Die Landschaft ist von karger Schönheit, sie erinnert mich an Bilder, wie man sie von der Mongolei kennt. Aus den Lautsprechern unseres Busses tönt ruhige peruanische Musik, die perfekt zur Melancholie der Landschaft passt.
Kurzer Zwischenstopp an der Laguna Lagunillas (4179 m). Sie misst etwa 19 mal 6 Kilometer und ist von Bergen mit klaren, schnörkellosen Formen umgeben. Mächtige Wolkenformationen vervollständigen die eindrucksvolle Kulisse. In der Ferne können wir Andenflamingos, Andengänse und ein paar Teichrallen ausmachen.
Wir erreichen die Stadt Juliaca, bekannt durch ihre Strickwaren (Ciudad Calcetera, Stadt der Stricker) und, aufgrund ihrer Nähe zu Bolivien, als Stadt der Schmuggler. Wegen ihrer ungeschützten Lage auf der Hochebene trägt Juliaca auch den Beinamen Ciudad de Los Vientos, Stadt des Windes.
Nun ist es nicht mehr weit bis nach Puno, Hauptstadt der gleichnamigen Region und direkt am Titicaca-See gelegen, 3800 m hoch. Es war ein langer Tag. Wir checken in unser Hotel ein und besuchen noch ein kleines Restaurant, aber recht bald liegen wir in unseren Betten.
Puno – Los Uros – Llachón
Montag, 11.Juni 2012
Mit dem Boot von Puno über die Schwimmenden Inseln der Uros bis nach Llachón
Die Sauerstoffflaschen in der Hotellobby, gedacht als Erste-Hilfe-Maßnahme für Menschen, die Probleme mit der dünnen Luft haben, erinnern daran, dass wir uns etwa 3800 Meter über dem Meeresspiegel befinden. Wir begeben uns zur Plaza de Armas, wo unser Bus wartet. Über den zentralen Platz ziehen kleine Gruppen von Studenten, Puno ist Universitätsstadt.
Der Bus bringt uns zum Hafen, wir verabschieden uns von den beiden Fahrern, die uns über so viele Kilometer sicher bis hierher gebracht haben. In zwei Tagen wird uns ein anderer Bus abholen. Bevor wir das Boot besteigen, das uns zu den Uros und nach Llachón befördern wird, kaufen wir ein paar kleine Geschenke für unsere Gastfamilien in Llachón: Reis, Nudeln, Speiseöl. Für die Kinder haben wir vorsorglich Schreibhefte und Buntstifte aus Deutschland mitgebracht.
Der Titicaca-See ist mit 3810 m ü. NN der höchstgelegene kommerziell schiffbare See der Erde und mit einer Fläche von knapp 8300 Quadratkilometern fast 16 mal so groß wie der Bodensee. Wir verlassen den Hafen von Puno, vorbei an dem mondänen Hotel Libertador auf der kleinen Insel Esteves, fahren durch den Schilfgürtel Totoral. Bald kommen die ersten schwimmenden Inseln der Uros in Sicht.
Das stolze Volk der Uros existiert nicht mehr. Der letzte echte Uro starb gegen Ende der 1950er Jahre; die heute auf den schwimmenden Inseln lebenden Menschen sind Mestizen, Nachkommen der Quechua und Aymara. Die dunkelhäutigen Uros konnten von den Inkas nie unterworfen werden, da sie sich bei Gefahr auf ihre schwimmenden Inseln zurückziehen konnten.
Die heutigen Nachfahren der Uros leben fast ausschließlich vom Tourismus. Wir werden auf der Isla Wiñay Totora mit Gesängen herzlich empfangen. Wir erfahren, wie die schwimmenden Inseln aus dem Totora-Schilf gebaut und instandgehalten werden, wir kosten die jungen, süß schmeckenden Triebe des Schilfs, wir bestaunen die aus Totora-Schilf gebauten Boote (Balsas), wir kaufen handgewebte Wandbehänge mit indigenen Motiven. Wir erfahren auf diese Weise einiges über das Leben der nicht mehr existenten Uros, und doch hat es etwas von Disney-Land an sich.
Weiter geht es in Richtung Llachón. Es ist prächtiges Wetter, aber die Luft ist empfindlich kühl. Imposante Wolkenformationen zieren den stahlblauen Himmel über dem Titicaca-See. Am Horizont ist sogar eine Fata Morgana zu sehen. Am frühen Nachmittag erreichen wir Llachón, wo wir bereits erwartet werden. Wir werden unseren Gastfamilien zugeteilt, Gastmutter für uns ist Marina. Sie wohnt mit ihrem etwa zehnjährigen Sohn in einem kleinen Haus am oberen Rand des Dorfes. Als Marina sieht, dass wir Probleme mit der Höhenluft haben, greifen sie und ihr Sohn beherzt unsere beiden Reisetaschen und steigen zügig den Fußweg hinauf zu ihrem Haus.
Im Gemeindehaus des kleinen Dorfes warten bald ein schmackhaftes Essen und viel Coca-Tee auf uns. Am späten Nachmittag begeben wir uns zur Plaza von Llachón, wir haben nämlich das unerhörte Glück, dass genau in diesen Tagen das fünfundzwanzigjährige Bestehen der Gemeinde gefeiert wird. Und diese Feierlichkeiten richten die Menschen von Llachón für sich aus; dass wir Touristen daran teilnehmen dürfen, ist purer Zufall. So erleben wir unverfälschte Folklore: farbenfrohe Gewänder, schräge südamerikanische Musik, die reichlich dekorierten Honoratioren des Dorfes, biertrinkende Frauen, die von jedem Becher einen Schluck an Pachamama opfern, rauchende Grills mit diversen „Köstlichkeiten“. Ganz Llachón und Umgebung scheint auf den Beinen zu sein, und wir Gringos sind mittendrin.
Nach dem köstlichen Abendessen im Gemeindehaus hat Valentin seinen Auftritt. Valentin ist eine Art Dorfvorsteher von Llachón, ein einfacher Mann, aber eine charismatische Persönlichkeit. Mit ruhiger, klarer, fester Stimme und sehr sorgfältig gewählten Worten (zumindest hört sich sein Spanisch, das von Tine übersetzt wird, für uns so an) berichtet er uns über das Leben der Dorfbewohner. Llachón ist ein Zusammenschluss von mehreren Bauerngemeinden, die Menschen leben von Ackerbau und Viehzucht, und sie scheinen glücklich dabei zu sein.
Vor ein paar Jahren wurde ein Tourismusprojekt ins Leben gerufen: Touristen (so wie wir) übernachten in einfachen Unterkünften und können am traditionellen Dorfleben teilhaben. Das bedingt, dass die Gastgeber Einblick in ihre Privatsphäre gewähren. Nicht alle Dorfbewohner nehmen an dem Projekt teil, aber es wird von allen respektiert. Die Einnahmen kommen zu 100 Prozent dem Dorf zugute. Valentin erzählt uns auch von dem nicht immer einfachen Spagat zwischen traditioneller und moderner Lebensweise im heutigen Peru, von dem dennoch erfolgreichen Bemühen, den Verlockungen des Geldes nationaler und internationaler Investoren zu widerstehen. Während Valentin spricht, ist es mucksmäuschenstill im Raum, alle sind fasziniert und lauschen gebannt seinen Worten. Ich wage es nicht einmal, ein Foto zu machen.
Llachón
Dienstag, 12.Juni 2012
Zu Fuß zum Aussichtspunkt Carus und mit dem Segelboot zurück nach Llachón
Die Nacht war kalt, was in dieser Höhe und bei wolkenlosem Himmel nicht verwundert. Die Häuser der Menschen von Llachón sind einfach, aber sauber. Die Betten allerdings sind gewöhnungsbedürftig. Schwere, handgewebte Decken erdrücken einen fast, so sind wir froh, unsere Daunenschlafsäcke mitgenommen zu haben.
Der erste morgendliche Gang zeigt, dass Montezuma sich nun endgültig ausgetobt hat. Zum Glück, denn in drei Tagen beginnt der Inka-Trail…
Es ist ein sonniger, aber sehr kühler Morgen. Von Marina, unserer Gastmutter, bekommen wir einen wunderschönen Blumenkranz geschenkt. Es sind rote Blütenpflanzen, Cantua buxifolia, die Heilige Blume der Inkas und Nationalblume Perus.
Nach einem kräftigen Frühstück brechen wir auf, um zum Aussichtspunkt Carus hinaufzuwandern. Marina kommt mit uns. Sie trägt ein farbenfrohes traditionelles Gewand und führt eine Spindel mit Garn bei sich. Während des ganzen Weges wird sie nebenbei spinnen. Und während wir mit robusten Bergschuhen ausgerüstet sind, stecken ihre nackten Füße in offenen Schlappen.
Wir gehen den Aufstieg auf über 4100 m gemächlich an und stehen nach etwa zwei Stunden auf dem Gipfel. Eine grandiose Landschaft breitet sich zu unseren Füßen aus. Der tiefblaue Titicaca-See wirkt eher wie ein Meer, so riesig ist er. Nicht weit vor der Küste unserer Halbinsel Capachica liegen die beiden Inseln Taquile und Amantani, am östlichen Horizont ragen schneebedeckte Gipfel in den Himmel, die zur bolivianischen Cordillera Real (Königskordillere) gehören.
Marina hat sich etwas abseits niedergelassen, schaut gedankenversunken in die Gegend und spinnt. Wir beschließen, unsere schönen Blumenkränze als Opfergabe auf dem Berg zu lassen, als Geschenk an Pachamama.
Dann steigen wir auf direktem Weg hinunter zur Küste. Den Rückweg nach Llachón werden wir mit Segelbooten zurücklegen, die bereits auf uns warten. Die Boote sind von einfachster Bauart, keine High-Tech-Geräte, und doch erfüllen sie ihren Zweck. Eine etwas wacklige Angelegenheit ist es allerdings schon, und so sind wir froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.
Im Gemeindehaus wartet ein aufwendig bereitetes Mittagessen auf uns. Am Nachmittag wandern wir nochmals zum Dorfplatz hinüber, die Feierlaune der Menschen von Llachón ist ungebrochen. Heute stehen Darbietungen von Rössern und Reitern im Mittelpunkt. Als es ans Tanzen geht, werden wir von einem der Dorfbewohner freundlich aufgefordert, uns zu beteiligen. So sind wir Gringos plötzlich mittendrin im Dorfleben. Den Abschluss des Abends bildet ein grandioses Feuerwerk.
Llachón – Cusco
Mittwoch, 13.Juni 2012
Vom Titicaca-See in die Hauptstadt des Inka-Reiches
Die Nacht war erneut sehr kalt. Unser Bus mit neuer Besatzung steht schon bereit. Alle Gastfamilien sind erschienen, um sich von uns zu verabschieden. Die freundlichen und herzlichen Menschen von Llachón werden uns in guter Erinnerung bleiben.
Wir verlassen den Titicaca-See und die Halbinsel Capachica in Richtung Norden. Auf den Feldern stehen vereinzelt Rinder, am Ufer des Sees liegen kleine Boote. Auf den Straßen von Juliaca herrscht schon geschäftiges Treiben. In Ayaviri legen wir einen Zwischenstopp ein. Auf der Straße verkauft eine Frau kleine Stücke gebratenen Fleisches, zum Schutz vor dem Auskühlen hat sie ihre Ware in bunte Decken gehüllt.
Wir passieren das Dorf Santa Rosa, welches am Fuße des schneebedeckten Nevado Cunurana (5443 m) liegt. Die Straße steigt kontinuierlich an, wir nähern uns dem Pass Abra La Raya (4338 m). Der Pass wird auch Punto Culminante genannt, er ist die südamerikanische Wasserscheide zwischen Atlantik und Pazifik. Alle Quellen südlich des Passes fließen in den Pazifik, alle nördlich gelegenen münden irgendwann in den Atlantik. Zu letzteren gehört auch der Río Vilcanota, der unweit des Passes entspringt, später zum Río Urubamba und danach zum Ucayali, einem der Quellflüsse des Amazonas, wird und nach Tausenden von Kilometern im Atlantik endet.
Parallel zur Straße verlaufen die Gleise des Touristenzuges Andean Explorer. Nach einer Mittagsrast in San Pablo haben wir unseren nächsten Stopp in Raqchi. Wir besichtigen die Ruinen des Templo de Wiracocha am Fuße des Vulkans Quimsachata. Es handelt sich um ein Heiligtum der Tiwanaku-Kultur aus der Präinkazeit, von dem einige Stützmauern, Säulen und Lagersilos erhalten geblieben sind.
Steile Berge, an deren Hängen von Menschenhand angelegte Terrassen kleben, säumen nun das Tal des Río Vilcanota. Kurz vor Sonnenuntergang erreichen wir das kleine Andendorf Andahuaylillas mit der prunkvoll ausgestatteten Barockkirche Iglesia San Pedro.
Es ist bereits dunkel, als wir in unserem kleinen Hotel Munay Wasi in Cusco, der alten Hauptstadt des Inkareiches, ankommen. Wir lassen den langen Tag bei typisch peruanischen Speisen im stilvollen Restaurant LIMO an der Plaza de Armas ausklingen.
Cusco
Donnerstag, 14.Juni 2012
Unterwegs in der Hauptstadt des Inka-Reiches
Nach dem Frühstück lernen wir Marco kennen. Marco ist Peruaner, Mitte zwanzig, sportlich, gutaussehend, sympathisch. Er wird uns in Cusco und als Bergführer auf dem Inka-Trail begleiten. Marco spricht sehr gut deutsch, in seiner Funktion als Bergführer und Skilehrer war er schon mehrmals in Österreich.
Cusco liegt in einem Talkessel, mit dem Bus geht es in die nordwestlich der Stadt gelegenen Hügel. Unser erstes Ziel ist Tambomachay. Die Archäologen sind sich nicht ganz einig, ob es sich um den Landsitz des Inkas Túpac Yupanqui oder um eine Art Wasserheiligtum handelt. Nächste Station ist die kleine Bergfestung Pukapukara, die als Kontroll- und Lagerposten diente.
Saqsaywamán (scherzhafterweise auch Sexy woman genannt) ist eine eindrucksvolle Festungsanlage oberhalb der Stadt. Die riesigen Steine der Mauern sind passgenau gefertigt, die größten von ihnen wiegen mehr als 40 Tonnen. Man muss den Bauleuten dieser Anlagen, die mindestens 500 Jahre alt sind, allergrößten Respekt zollen.
Nach dem Besuch der Kathedrale Santo Domingo erkunden wir auf eigene Faust die Straßen und verwinkelten Gassen von Cusco. Diese eigenartige Mischung aus uralter Inka-Kultur und pompöser Architektur der spanischen Kolonialzeit ist ein Faszinosum. Ich muss oft an Marcos Worte denken. Er sei, so erzählte er uns, im katholischen Glauben erzogen und besuche regelmäßig die Kirche, habe aber andererseits kein Problem damit, auch Pachamama, Mutter Erde, zu huldigen. „Du sollst keinen Gott haben neben mir“, lautet eines der zehn Gebote. Südamerika ist eben etwas anders.
Cusco ist eine quirlige und weltoffene Stadt. Die kleinen Cafés und Restaurants sind voll von Touristen und Studenten. An jeder Straßenecke gibt es irgendetwas zu feiern, fliegende Händler bieten alles an, was man nie brauchen wird. Nirgend woanders bekomme ich so viele Sonnenhüte offeriert, obwohl ich, deutlich sichtbar, bereits einen auf dem Kopf trage.
Am Abend verabschieden wir uns von unserer netten Begleiterin Allison. Für sie ist die Reise in ihrer Heimatstadt Cusco zu Ende. Dann packen wir unsere Sachen um. Alles, was wir in den nächsten vier Tagen benötigen werden, muss in die Rucksäcke und den Seesack: Schlafsäcke, Kleidung, Schuhe, Trekkingstöcke, Fotoausrüstung. Alles andere bleibt im Hotel zurück. Morgen früh starten wir zum Inka-Trail.
Cusco – Wayllabamba
Freitag, 15.Juni 2012
Camino Inca, Etappe 1
Unser Bus steht um sechs Uhr vor unserem Hotel in Cusco bereit. Wir verlassen die Stadt in nordwestlicher Richtung. Nach einer halben Stunde erreichen wir bei Chinchero eine Art Hochplateau. Kleine Felder bedecken die hügelige Landschaft. Am Horizont erhebt sich die imposante Kette der Cordillera Vilcabamba, die von der weiß leuchtenden Pyramide des Nevado Salcantay (Berg des Teufels, 6271 m) überragt wird.
Nach etwa einer Stunde geht es serpentinenartig hinunter ins Tal des Río Urubamba und in die gleichnamige Stadt. Auf der Plaza des kleinen Ortes Ollantaytambo legen wir einen Zwischenstopp ein. Letzte Gelegenheit für ein paar Einkäufe.
Unsere Weiterfahrt verläuft tief im Tal des Río Urubamba, zwischen der Cordillera Vilcabamba und der Cordillera Urubamba. Ab und zu kann man einen Blick auf den schneebedeckten Nevado Verónica (5682 m), die höchste Erhebung der Cordillera Urubamba erhaschen.
Bei Kilometer 82 endet unsere Fahrt. Auf dem großen Parkplatz sind wir nicht die einzigen, die sich für den Inka-Trail rüsten. Die meisten aus unserer Gruppe haben einige Sachen an unsere Träger übergeben. Auf einer großen Plane teilen sie die Gepäckstücke untereinander auf. Für die Träger ist es ein willkommener Nebenverdienst, für uns Marscherleichterung. Allerdings habe ich angesichts des Chaos‘ leise Zweifel, dass auch wirklich alles ankommen wird.
Am Startpunkt des Camino Inca gibt es einen Stau. Alle Personalien werden gewissenhaft überprüft, seit einigen Jahren kann man den Trail nur noch organisiert unternehmen. Dann geht es endlich los. Wir überqueren die Hängebrücke über den reißenden Río Urubamba. Auf der anderen Flussseite geht es stetig bergauf. Langsam findet jeder sein Tempo.
Nach zwei Stunden Gehen Rast im Schatten einiger Bäume. An einem Kiosk gibt es Erfrischungsgetränke zu kaufen. Dann erreichen wir die Ruinen von Llactapata. Und kurze Zeit später erleben wir eine kleine Überraschung. Die Träger unserer Gruppe mit ihren leidensschweren Bündeln auf den Rücken (an die zulässigen 15 Kilo kann ich nicht so recht glauben) waren vor uns gestartet. Gelegentlich hatten wir sie überholt, als sie schwer keuchend rasteten. Dann sie wieder uns. Und nun taucht vor uns ein kleines Lager auf, mit einem Essenszelt zum Schutz vor der sengenden Sonne und einem fertigen Mittagsmenü. In grünen Plastikschüsseln steht warmes Wasser zum Waschen bereit. Zuviel des Guten.
Nach der Mittagspause bauen die Träger das kleine Lager in Windeseile ab, packen sich die Bündel auf den Rücken und überholen uns irgendwann im Laufschritt. Gegen halb fünf am Nachmittag erreichen wir unser erstes Lager, das Camp Wayllabamba. Auf einer kleinen Wiese stehen bereits die Küchenzelte und unsere kleinen Bergzelte. Auch die grünen Plastikschüsseln sind schon gefüllt. Und auf einer Plane liegen, säuberlich sortiert, unsere persönlichen Sachen. Ich schäme mich für meine Zweifel. Und ziehe den Hut vor der Leistung unserer Träger.
Nach dem mehrgängigen Abendmenü sitzen wir noch beisammen, um die Ereignisse des ersten Wandertages Revue passieren zu lassen. Die fein ziselierten Schneegrate des Nevado Verónica leuchten in der Abendsonne. Die heutige Etappe war ein entspannter Anfang, morgen wird es deutlich anstrengender werden.
Wayllabamba – Pacaymayu
Samstag, 16.Juni 2012
Camino Inca, Etappe 2
Nach einem kräftigen Frühstück starten wir gegen sieben Uhr. Das Wetter ist perfekt, die Luft allerdings noch sehr kühl. So sind wir froh, dass es gleich hinter Wayllabamaba streng bergan geht. Wir passieren Tres Piedras und den „Märchenwald“. Von den Bäumen mit moosbedeckten Stämmen hängen Lianen herunter, am Ufer eines kleinen Baches wachsen Farne.
Bei unseren Wanderungen ist folgendes zur Gewohnheit geworden: wenn jemand hinter sich Träger kommen sieht oder hört, genügt ein kurzes „Achtung, Träger/Porter“, und alle machen einen Schritt zur Seite, um die sich meist im Laufschritt nähernden Träger mit ihren Riesenbündeln auf dem Rücken passieren zu lassen. Irgendwann, wenn die kleinen, stämmigen Peruaner im Schatten sitzen und Cocablätter kauend nach Luft ringen, holen wir sie abermals ein. Das Spiel wiederholt sich mehrfach auf jeder Etappe. Unsere Gruppe macht nach jeder Stunde eine kurze Rast und findet sich zusammen. Verschnaufen, Trinken, Ausschau halten. Marco, unserem Guide, geht es heute nicht besonders gut, er ist erkältet.
An einem der Rastplätze treffen wir einen Mann mittleren Alters, der gerade von einem wichtigen Geschäft zurückkommt. Er ist Holländer, sieht aus wie Howard Carpendale in jungen Jahren und ist, wie sich später herausstellt, mit Sohn und Tochter unterwegs. Über deren allzu bunte Hosen hatten wir eine despektierliche Bemerkung gemacht, die Howard offenbar verstanden hatte. Er nimmt es aber mit Humor, und so kommen wir ins Gespräch. Auch ihn hat Montezumas Rache ereilt, was auf dem Trail natürlich nicht besonders vorteilhaft ist.
Beim Aufbruch scherzt er, dass er uns gleich überholen und lange vor uns am Ziel sein werde. Wenig später allerdings überholen wir ihn, und er meint, dass er bergab dann aber wirklich der Schnellere sei. Wir treffen ihn und seine beiden erwachsenen Kinder noch des Öfteren, und jedesmal liefern wir uns ein erheiterndes Wortgefecht.
Hinter dem Märchenwald kommen wir in freies Gelände. Bald ist der Pass Abra Warmiwañusca zu sehen. Etwa vier Stunden nach unserem Aufbruch in Wayllabamba stehen wir auf dem Abra Warmiwañusca (4198 m), dem Pass der toten Frau. Gut 1200 Höhenmeter in vier Stunden sind kein schlechter Schnitt. Vom Pass bietet sich ein fantastischer Blick zurück ins Tal des Río Llullucha, aus dem wir gekommen sind. Über dem Tal thront der Bergriese Nevado Huayanay (um 5400 m). Auf der anderen Seite des Passes blickt man ins Tal des Río Pacaymayu.
Nach einer längeren Verschnaufpause machen wir uns an den Weiterweg nach Pacaymayu. Die mitgeführten Wanderstöcke erleichtern den Abstieg über die zum Teil kniehohen Stufen. Die Träger mit ihrem schweren Gepäck nehmen die Absätze im Sprung, vermutlich haben sie alle nach ein paar Jahren kaputte Gelenke. Aber für viele ist es der einzige Job, den sie hier bekommen können.
Den Wegesrand säumen die verschiedensten Orchideen, Bromelien und Sukkulenten. Gut zwei Stunden nach dem Verlassen des Passes erreichen wir das Camp Pacaymayu. Wie am Vortag steht alles schon bereit. Vom Camp aus kann man bereits den Weg zum nächsten Pass, den Abra Runkuraqay, sehen. Am späten Nachmittag ziehen dicke Wolken vom Tal herauf und sorgen für eine mystische Stimmung.
Vor dem Abendessen stellt uns Marco die Menschen vor, die dafür sorgen, dass es uns täglich so gut geht: unsere Träger und Köche. Die meisten Träger sind noch jung, kaum älter als 30, doch der älteste von ihnen ist Mitte 50. Hut ab.
Nach dem Abendmenü überrascht uns der Koch Eduardo wiederum aufs Neue: wir bekommen eine waschechte Torte serviert. Kein Törtchen, nein, eine ausgewachsene Torte, mit Zuckerguss und allem Drum und Dran. Von der Tatsache abgesehen, dass die Träger diesen Luxus erst einmal bis hierher hatten schleppen müssen: wie bekommt man unter so einfachen Bedingungen eine Torte gebacken? Wir sind beeindruckt und gerührt.
Pacaymayu – Wiñay Wayna
Sonntag, 17.Juni 2012
Camino Inca, Etappe 3
Die ersten Wanderer sind bereits auf dem Trail, als unsere Gruppe noch am Zusammenpacken ist. Gegen acht Uhr starten auch wir. Gleich zu Beginn wartet der steile Anstieg zum Pass Runkuraqay (3998 m) auf uns. Jetzt am frühen Morgen kommt er mir anstrengender vor, als der viel längere und höhere Anstieg vom Vortag. Vom Pass hat man einen fantastischen Blick auf die schneebedeckte Cordillera Vilcabamba mit dem Nevado Salcantay.
Der Abstieg auf der anderen Seite des Passes führt an der schmutzig-grünen Laguna Yanacocha vorbei. Danach verläuft der Trail oft über ebene Passagen, durch liebliche Landschaften. Am Wegesrand sehen wir Orchideen und Bromelien. Wir passieren die Ruinen von Sayaqmarca (Unzugängliche Stadt) und die kleine Inka-Ruine Conchamarca. Um 12 Uhr erwartet uns erneut ein komplettes Mittagsmenü im Schatten des Essenszeltes. Der Platz, auf dem wir rasten, liegt wie ein Adlerhorst hoch über dem Tal des Río Urubamba.
Weiter führt der Weg über steile und hohe Treppenstufen, durch einige Inka-Tunnels, durch verwunschene Märchenwälder. Wir durchqueren die Ruinen von Phuyupatamarca und erreichen schließlich die eindrucksvollen Terrassen von Intipata. Das Landschaftsbild unterscheidet sich komplett von dem des Vortages. Irgendwie spürt man schon die Nähe von Machu Picchu. Gegen 16 Uhr erreichen wir das Camp Wiñay Wayna, dessen zahlreiche Terrassen vielen Zelten Platz bieten. Hier beziehen wir unser letztes Lager vor Machu Picchu.
Nach einer kurzen Verschnaufpause wandern wir hinüber zu den Ruinen von Wiñay Wayna, deren elegante Schönheit uns einen Vorgeschmack auf den morgigen Tag gibt. Und Wiñay Wayna hat gegenüber Machu Picchu einen entscheidenden Vorteil: hierher kommen nur Wanderer, und deshalb ist es angenehm leer. Keine Busse im Zehn-Minuten-Takt, von denen jeder Dutzende von Touristen ausspuckt.
Nach dem Abendessen nehmen wir offiziell Abschied von unseren Trägern und Köchen. Sie gehen nicht mit bis nach Machu Picchu. Sie werden morgen früh, nachdem sie das Lager abgebaut haben, im Eilmarsch nach Aguas Calientes absteigen. Denn der Zug, der sie und ihr sowie unser Gepäck zurück an den Ausgangsort bringt, wartet nicht. Wer ihn verpasst, muss bis zum nächsten Tag warten. Und das kann sich keiner von ihnen leisten. Unser Dank gilt diesen einfachen, herzlichen und unglaublich zähen Menschen aus dem Andenhochland, die uns in diesen drei Tagen das Leben in einer grandiosen und geschichtsträchtigen Landschaft so angenehm wie möglich gemacht haben.
¡Muchas gracias!
Wiñay Wayna – Machu Picchu – Cusco
Montag, 18.Juni 2012
Camino Inca, Etappe 4
Es ist gegen halb vier Uhr und noch dunkel, als wir aufstehen. Rucksäcke packen, Seesack schnüren, Zelte leerräumen. Die Träger warten schon ungeduldig darauf, dass sie die Zelte abbauen können. Sie stehen unter Zeitdruck, müssen ihren Zug in Aguas Calientes erreichen. Wieder kommen mir leise Zweifel, dass in dem Chaos, noch dazu im Dunkeln, wirklich kein Gepäckstück liegenbleibt. Aber diesmal bin ich zuversichtlich, und am Nachmittag wird sich zeigen, dass erneut alles bestens funktioniert hat.
Nach dem Frühstück reihen wir uns in die Schlange der Wartenden ein. Der letzte Abschnitt des Inka-Trails wird besonders streng kontrolliert. Gegen halb sechs Uhr geht es endlich los. Die Lichterschlange aus Stirnlampen setzt sich in Bewegung.
Marco, unser Guide, hatte uns am Vorabend über den Ablauf des heutigen Tages informiert. Die letzte Etappe bis zum Sonnentor Intipunku sei relativ kurz, etwa ein bis eineinhalb Stunden. Um bei Sonnenaufgang dort einzutreffen, bräuchten wir uns also nicht zu beeilen. Die Realität an diesem Morgen sieht leider anders aus. Der an einer steil abfallenden Bergflanke unterhalb von Intipata entlangführende Weg ist schmal, und die Lichterschlange entwickelt eine Eigendynamik. Wir rennen mehr, als dass wir gehen. Stehenbleiben ist praktisch unmöglich, weil man den Nachkommenden den Weg versperrt und seinerseits den Anschluss an seine Gruppe verliert. Nicht das Rennen an sich stört mich, sondern die Tatsache, dass man von den grandiosen Ausblicken ins Tal des Río Urubamba, die sich in der langsam einsetzenden Dämmerung eröffnen, definitiv nichts hat. Hastig schieße ich ein, zwei Fotos.
Ein letzter kurzer, aber steiler Anstieg führt hinauf zum Sonnentor Intipunku (2745 m). Man tritt in freies Gelände, und dann liegt einem Machu Picchu zu Füßen. Man hat dieses Bild auf Fotografien und in Filmen schon tausendmal gesehen – und ist trotzdem beeindruckt. Die Sonne ist noch nicht zu sehen, über Machu Picchu hängen Wolkenfetzen, ein geradezu mystisches Bild. Wir setzen uns ins Gras und lassen die grandiose Szenerie auf uns wirken. Noch sind kaum Menschen in der alten Inka-Stadt zu sehen. Das wird sich aber bald ändern, wenn der erste Zug in Aguas Calientes eintrifft und die Busse nach Machu Picchu mit Touristen füttert.
Langsam machen wir uns an den Abstieg hinunter in die Stadt. An einem Glücksstein opfern wir ein paar Coca-Blätter. Vielleicht wird uns das Glück dadurch hold. Der berühmte Physiker Niels Bohr wurde zu einem Hufeisen, welches über der Eingangstür seines Labors hing, einmal befragt, ob er denn an so etwas glaube. Natürlich nicht, antwortete er, aber er habe gehört, dass es auch helfe, wenn man nicht daran glaube.
Machu Picchu ist übrigens Quechua und bedeutet Alter Berg. Einen Berg dieses Namens gibt es auch, an seiner Nordostflanke führt das letzte Stück des Inka-Trails von Intipunku nach Machu Picchu. Er thront über dem Wärterhäuschen von Mirador, dem Aussichtspunkt, den man auf diesem letzten Wegstück als erstes erreicht.
Am offiziellen Eingangstor von Machu Picchu geht unser Inka-Trail zu Ende. Eine Mischung aus dem schönen Gefühl, am Ziel dieses berühmten Treks angekommen zu sein, und ein wenig Wehmut, dass es nun zu Ende ist, erfüllt wohl die meisten von uns. Nochmals werden unsere Tickets kontrolliert, dann begeben wir uns mit Marco als Guide auf einen Rundgang durch die alte Inka-Stadt.
Über Machu Picchu ist schon so viel geschrieben worden, dass ich nichts Neues hinzuzufügen wüsste. Drei Dinge möchte ich trotzdem erwähnen.
Erstens. Ganz gleich um welchen Ort der Erde es sich handelt und wie viel man darüber schon gesehen, gelesen, gehört hat: eigenes Erleben, die Aura eines Ortes selbst zu fühlen, sind durch nichts zu ersetzen. Und an einem solch außergewöhnlichen Ort wie Machu Picchu wird uns modernen, aufgeklärten Menschen einmal mehr vor Augen geführt, zu welch unglaublichen Leistungen die Menschen vergangener Jahrhunderte fähig waren. Ohne Smartphone, ohne Computer, ohne Internet.
Zweitens. Wir sollten alles daransetzen, dass Orte wie Machu Picchu auch nachfolgenden Generationen erhalten bleiben. Angesichts der enormen Besucherströme, zu denen wir selbst natürlich auch beitragen, erscheint die Kritik an der kommerziellen Ausbeutung solcher Stätten mit all ihren negativen Folgen als sehr real. Gewiss, Peru braucht die Einnahmen aus dem Tourismus, und kultur- und geschichtsinteressierte Menschen haben ein verständliches Anrecht auf den Besuch derartiger Plätze. Aber man wird zukünftig einen vernünftigen Kompromiss finden müssen.
Drittens. Als Hiram Bingham von der Yale University Anfang des letzten Jahrhunderts Machu Picchu „entdeckte“ und nachweislich viele ausgegrabene Funde außer Landes schaffte, war dies nicht mehr und nicht weniger als Kunstraub. Und die Forderungen Perus nach vollständiger Rückgabe der geraubten Güter, die einen wichtigen Teil der Identität des Landes ausmachen, sollten von den USA nicht länger ignoriert werden.
Je weiter der Tag fortschreitet, desto voller wird es in der alten Inka-Stadt. Nach dem Rundgang durch die Anlage ziehen wir uns nach ganz oben, zum Mirador zurück, setzen uns auf einer der Terrassen ins Gras und lassen den Ort noch ein wenig auf uns wirken. Es wäre interessant gewesen, auf den Wayna Picchu, den kühnen Sporn, der die Inka-Stadt bewacht, zu steigen. Oder von Aguas Calientes aus auf den imposanten Kegel des Putukusi. So werden wir wohl irgendwann zurückkommen müssen. Gegen elf Uhr begeben wir uns zum Bus, der uns über die steilen, vom Sonnentor Intipunku aus gut sichtbaren Serpentinen, hinunter nach Aguas Calientes bringt.
Aguas Calientes, ursprünglich ein verschlafenes Dörfchen, das zufällig am Bahngleis lag, ist heute voll und ganz auf Tourismus eingestellt. In einem der zahlreichen Restaurants direkt an der Bahnlinie lassen wir uns nieder. Ein letzter Plausch mit unserem Guide Marco, denn auch er wird nicht mit nach Cusco kommen. Er bringt uns zum Bahnhof, wir verabschieden uns von ihm, und damit ist das Erlebnis Inka-Trail endgültig zu Ende.
Wir wechseln vom Inka-Trail zum Inca Rail, einem der historischen Züge, die wir vor drei Tagen am Start bei Kilometer 82 bereits gesehen hatten. Gemächlich schaukelt der Zug durch das Tal des Río Urubamba. An manchen Stellen fließt der Fluss ruhig dahin, an anderen gebärdet er sich wild und ungestüm. Ein Dorado für Wildwasserkanuten. Steil ragen die Berge der Cordillera Urubamba beidseits der Gleise in den Himmel, ein letztes Mal grüßt der Eisriese Nevado Veronica durchs Zugfenster. Es wäre schön gewesen, durch das Flusstal zurückzuwandern, aber dafür ist leider keine Zeit.
In Ollantaytambo wartet Tine schon mit dem Bus auf uns, der uns zurück nach Cusco bringt. Es gibt natürlich viel zu erzählen. Auf der Rückfahrt, im Licht der sinkenden Sonne, liegen die Cordillera Vilcabamaba und die Cordillera Urubamba noch einmal in voller Schönheit vor uns. Ein faszinierendes Stück Erde, von dem wir Abschied nehmen.
Cusco
Dienstag, 19.Juni 2012
Freier Tag in Cusco
Heute ist unser erster wirklich freier Tag. Zusammen mit Angela und Franz schlendern wir ohne Eile durch die Straßen und Gassen von Cusco. Wir besuchen das Centro Artesanal, El Sol und beobachten das bunte Treiben im Mercado de San Pedro. Hier kann man alles Mögliche und Unmögliche kaufen. An manchen Ständen halten alte Indio-Frauen zwischen zwei Kunden ein Nickerchen. Mich würde interessieren, wie man sich als Kunde bemerkbar machte, aber keiner tut mir den Gefallen, es zu demonstrieren.
Am Abend suchen wir uns ein nettes kleines Restaurant in der Nähe der Plaza de Armas. Wir sind die einzigen Gäste. Unser Weg zurück zum Hotel führt wieder über die Plaza, auf der noch immer gefeiert wird. Und es sieht nicht so aus, als sei gleich Schluss. Ob Lima, Arequipa, Llachón oder Cusco, überall und immer hatten die Peruaner etwas zu Feiern. Ein lebensfrohes Völkchen.
Wir nehmen Abschied von dieser quirligen Stadt. Morgen früh bringt uns das Flugzeug in den Amazonas-Regenwald nach Puerto Maldonado. Die letzte Etappe unserer Rundreise durch Peru steht bevor.
Cusco – Puerto Maldonado – Cayman Lodge Amazonie
Mittwoch, 20.Juni 2012
In den Amazonas-Regenwald
Nach der Costa (Küste) und der Sierra (Gebirge) werden wir heute die letzte der drei Landschaftsformen Perus kennenlernen, die Selva (Amazonas-Urwald). Die Selva erstreckt sich östlich der Anden bis an die Grenze nach Ecuador, Kolumbien, Brasilien und Bolivien. Bis vor kurzem hätte ich Peru mit dem Andenhochland und kargen Wüstenlandschaften in Verbindung gebracht, nicht aber mit dem Amazonas-Regenwald. Dabei hätte ein Blick auf die Landkarte genügt. Immerhin nimmt die Selva etwa 60 Prozent der Fläche Perus ein.
Der Flug von Cusco nach Puerto Maldonado dauert nur etwa eine Stunde. Schon aus der Luft ist zu erkennen, dass sich das Landschaftsbild der Selva deutlich von dem der Costa oder der Sierra unterscheidet. Dichter Regenwald bedeckt das flache Land, ockerfarbene Flüsse mäandern durch das grüne Dickicht. Ab und zu sind Spuren menschlichen Tuns in Form von gerodeten Flächen und kleinen Siedlungen zu erkennen. Als wir das Flugzeug verlassen schlägt uns warme, feuchte Luft entgegen. Dabei haben wir jetzt Trockenzeit, wie mag es wohl erst während der Regenzeit sein.
Auf dem Flughafen ist zunächst wieder einmal Umpacken angesagt. Da die Urwald-Lodge, die für die nächsten zwei Tage unser Zuhause sein wird, nur mit dem Boot zu erreichen ist, muss alles, was wir benötigen in den Rucksack. Der Rest bleibt im Bus, welcher vor dem Flughafen schon auf uns wartet. Und mit ihm die letzten beiden Guides auf unserer Peru-Reise, Maria und Leo.
Puerto Maldonado liegt am Zusammenfluss von Río Madre de Dios und Río Tambopata und ist ein typisches Urwaldkaff. Eingeschossige Holz- und Wellblechhütten, staubige Straßen, ein kleiner Markt. Alles wirkt etwas heruntergekommen. Das einzig Sehenswerte ist die imposante Hängebrücke über den Río Madre de Dios.
Wir besuchen eine kleine Pisco-Bar an der Plaza de Armas und genießen die frisch zubereiteten Fruchtsäfte und die karibisch anmutende Atmosphäre. Fast könnte man meinen, jeden Moment käme Hemingway in die Bar, setzte sich an den Tresen und verlangte seinen Mojito.
Dann statten wir noch dem Mercado einen kurzen Besuch ab, bevor uns der Bus hinunter zur Bootsanlegestelle am Río Tambopata bringt. Dort liegt ein schmales, motorisiertes Holzboot für uns bereit, und uns wird klar, warum wir unser Gepäck reduzieren mussten. Personen und Gepäckstücke werden so verteilt, dass das Boot nicht in Schieflage gerät. Nach dem Anlegen der Schwimmwesten werden die Leinen losgemacht und unsere fast vierstündige Fahrt über knapp 70 Kilometer den Río Tambopata stromaufwärts beginnt.
Hier im Urwald sind Flüsse die Hauptverkehrswege und Boote die Hauptverkehrsmittel. Meist sind es schmale Holzboote wie das unsrige, die zum Transport von Waren oder zum Fischen dienen. Je weiter wir uns von Puerto Maldonado entfernen, desto mehr tauchen wir in den Urwald ein. Maria und Leo scannen mit ihren Augen ständig die beiden Flussufer ab und machen uns aufmerksam, wenn es etwas Interessantes zu sehen gibt. Dann drosselt der Bootsführer sofort den Motor. Und ihren Augen entgeht anscheinend nichts. Wo wir urban geprägten Menschen nur ein grünes Dickicht sehen, machen unsere beiden Guides Schmetterlinge, Schildkröten oder Kaimane aus. Und sollte ihren Augen doch einmal etwas entgehen, dann entdecken es mit Sicherheit die des Bootsführers, der jede einzelne Stromschnelle und Sandbank des Flusses genauestens zu kennen scheint. Gelegentlich überquert ein Ara-Pärchen den Fluss, aber es geht alles so schnell, dass nie Zeit dafür ist, das Teleobjektiv auf dem schwankenden Boot in Anschlag zu bringen.
Gegen 16 Uhr erreichen wir unser Ziel, die Cayman Lodge Amazonie. Betrieben wird sie von einer Französin, die vor vielen Jahren hier hängengeblieben ist, zusammen mit ihren zahlreichen peruanischen Angestellten. Die Lodge liegt idyllisch, direkt am Flussufer, und besteht aus einem größeren Gebäude, das als Essenssaal und Kommunikationszentrum dient, und mehreren kleineren Gebäuden, den Unterkünften für die Gäste. Alle Hütten stehen auf Stelzen, von der Außenwelt ist man nur durch eine dünne Gaze getrennt. Die wahrscheinlich beste Möglichkeit, mit dem schwül-heißen Klima umzugehen. Man muss nur darauf achten, beim Betreten und Verlassen der Behausung die Tür möglichst schnell wieder zu schließen, damit man ungebetenen Gästen keinen Einlass gewährt.
Nach dem Abendessen französisch-peruanischer Prägung wartet noch etwas Besonderes auf uns. Begleitet von unseren beiden Guides begeben wir uns, ausgerüstet mit langer Kleidung, festem Schuhwerk und Stirnlampe auf eine Wanderung durch den nächtlichen Regenwald. Maria und Leo zeigen uns, was im Urwald so alles kreucht und fleucht: Stabheuschrecken, Schmetterlinge und andere kuriose Insekten, Tausendfüßler, eine Zwergbeutelratte, eine Baumschlange, sogar Vogelspinnen bekommen wir zu Gesicht. Am eindrucksvollsten aber ist der Moment, als Maria und Leo uns bitten, die Stirnlampen auszuschalten und ein paar Augenblicke mucksmäuschenstill zu sein. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, mitten im dunklen Urwald zu stehen und all seinen geheimnisvollen Geräuschen zu lauschen. In solchen Momenten merken wir einmal mehr, wie weit wir modernen Menschen uns von unseren Wurzeln entfernt haben.
Cayman Lodge Amazonie
Donnerstag, 21.Juni 2012
Streifzug durch den Amazonas-Regenwald
Für den heutigen Tag stehen zwei Alternativen zur Wahl. Entweder mit dem Boot zur Salzlecke Collpa de Guacamayo zu fahren, um dort Papageien und Aras zu beobachten, oder einen Pirschgang durch den Regenwald in der Nähe der Lodge zu unternehmen. Ersteres bedeutet, gegen zwei Uhr aufzustehen, drei Stunden mit dem Boot zur Salzlecke zu fahren, dort für vielleicht zwei Stunden auf der Lauer zu liegen, und dann drei Stunden zurückzufahren. Die zweite Variante ist wesentlich entspannter. Ich bin hin- und hergerissen. Natürlich würde ich mir sehr gern die Farbenpracht der Papageien und Aras an der Salzlecke anschauen und ein paar Exemplare vor die Linse bekommen, aber irgendwie siegt diesmal das Faultier in mir. Als ich die Variante-1-Gruppe mitten in der Nacht aufbrechen höre, bin ich dem Faultier dankbar.
Noch vor dem Frühstück beobachte ich das bunte und laute Treiben der Webervögel der Lodge, die ihre imposanten, tropfenförmigen Nester in die Bäume nah am Wasser gehängt haben. Gegen neun Uhr erscheint unser Guide Leo, um uns zur Regenwald-Wanderung abzuholen.
Leo ist kein Mann der großen Worte. Von ihm kommt kein “so, sind alle da, dann kann es ja losgehen“. Wir stehen beisammen, er erzählt uns scheinbar beiläufig von dieser und jener Frucht, die auf dem Gelände der Lodge wächst, dann gehen wir zum nächsten Baum. Und ohne, dass wir es bemerkt haben, sind wir mittendrin im Regenwald und auf unserer Wanderung. Und Leo weiß viel und hat viel zu erzählen. Er erklärt uns, wie das Blatt der Bijao als Teller für das Essen genutzt wird, dass Bananenstauden wie Unkraut wuchern, welch heilende Wirkung die Sekrete bestimmter Urwald-Ameisen entfalten können, und, und, und…
Wir kommen über eine kleine Lichtung. Ein paar Indios sind gerade dabei, eine neue Hütte zu bauen. Zwei Holzstämme mit einer Astgabel am oberen Ende stecken bereits in der Erde, und nun versuchen die kleinwüchsigen Indios, mit Hilfe von Pflöcken die Firststange in die Astgabeln zu hieven. Was nicht recht gelingen will. Kurzentschlossen geht Joachim zu den Männern und hebt ihnen die Stange in die Astgabeln. Was ihm, dank seiner Körpergröße, mühelos ohne Hilfsmittel gelingt. Erheiterung auf beiden Seiten, so humorvoll kann Völkerverständigung sein.
Am eindrucksvollsten in dieser grünen Hölle sind die riesigen Kapok-Bäume, die ihre Standfestigkeit den gewaltigen Brettwurzeln verdanken. Der Boden des Regenwaldes ist übersät von frisch gefallenen und bereits verwesenden Blättern, Stängeln, Zweigen, Stämmen… Nichts geht hier verloren, alles findet einen Abnehmer.
Leos Adleraugen wandern ständig durch das Kronendach der Urwaldriesen. Plötzlich bleibt er stehen und bedeutet uns, still zu sein. Er hat eine Horde Affen entdeckt, wo wir nur grünes Gewirr sehen. Jetzt, als er uns zeigt, wo die Affen sind, erspähen auch wir sie. Eiligen Schritts geht er los, scheinbar ziellos führt er uns durch den Urwald, den er wie seine Westentasche kennt. Und es ist kaum zu glauben: er führt uns zu einer Stelle, an der die Horde Totenkopfäffchen das Blätterdach verlässt und nur wenige Meter von uns entfernt zu Boden geht, um im Dickicht zu verschwinden. Als hätte er es mit ihnen abgesprochen. Diese Menschen, so kommt es uns vor, haben ganz andere Sinne, als wir zivilisatorischen Krüppel.
Wir hätten noch stundenlang mit Leo durch den Regenwald streifen können, aber alles geht irgendwann zu Ende. Wir kehren zur Lodge zurück. Bis zum Mittagessen ist noch Zeit, so suchen wir den überdachten Platz auf, an dem einige Hängematten gespannt sind. Die Luft ist angenehm warm, es weht ein leises Lüftchen. Leicht schaukelnd liegen wir in den Hängematten und träumen, dösen vor uns hin. Diese beiden beschaulichen Tage in der Cayman Lodge Amazonie sind ein wahrlich gelungener Kontrapunkt zu den bunten, aufregenden Erlebnissen der vergangenen drei Wochen.
Unser vegetarisches, sehr schmackhaftes Mittagessen bekommen wir wie gewohnt auf einem Bijao-Blatt serviert. Am frühen Nachmittag kehrt die Gruppe zurück, die an der Salzlecke war. Es gibt viel zu erzählen, und ein wenig beneide ich sie schon um die geschaute Farbenpracht der Regenwald-Vögel. Andererseits möchte ich die Erlebnisse auf unserer kleinen Regenwald-Pirsch nicht missen.
Gegen drei Uhr ziehen wir noch einmal los. Leo nimmt uns mit zum Piraña-Fischen. An einem kleinen Bach in der Nähe der Lodge beziehen wir Stellung. Leo zeigt uns, wie man mit einer einfachen Rute, einem Drahthaken und einem Stück Fleisch den gefürchtetsten Fisch Südamerikas an die Angel bekommt. Im Prinzip zumindest. Denn meist ist der Fisch der Schlauere. Ein kurzes Zucken an der Angelrute, dann ist das Fleisch weg, und der Piraña auch. Leo beobachtet eine Zeitlang geduldig und amüsiert unsere vergeblichen Versuche, einen Piraña aus dem Wasser zu ziehen. Bis er selbst zur Angel greift. Und es dauert keine drei Minuten, dann wissen wir, wie ein Piraña aus der Nähe aussieht. Schon wieder eine heimliche Absprache…
Als es dunkel geworden ist, geht es ein letztes Mal auf Pirschfahrt, diesmal mit dem Boot auf Kaimane. Der Bootsführer fährt die Uferböschungen in der Nähe der Lodge ab, Leo sitzt mit einem Suchscheinwerfer in der Spitze des Boots. Wir spüren auch ein, zwei Kaimane auf, aber am Vortag auf der Herfahrt hatten wir sie besser gesehen.
Zum Abendessen bekommen wir den Piraña gebraten serviert, es ist gerade so viel, dass jeder einmal kosten kann. Sehr schmackhaft, aber müssten wir uns davon ernähren, würden wir verhungern. Es sei denn, wir träfen mit den Pirañas eine Absprache…
Dann sitzen wir alle noch ein wenig im Essenssaal der Lodge zusammen, genießen den einen oder anderen Longdrink und tauschen Erlebnisse aus. Schließlich ist es unser letzter gemeinsamer Abend in Peru. Ein wenig Wehmut kommt auf, dass es fast zu Ende ist. Die letzten drei Wochen waren so prall gefüllt mit Leben, dass sie wie im Flug vergangen sind.
Cayman Lodge Amazonie – Puerto Maldonado – Cusco – Lima
Freitag, 22.Juni 2012
Aus dem Amazonas-Regenwald zurück nach Lima
Der Vorhang zum letzten Akt hebt sich. Und der beginnt mit einem Donnerschlag, im wahrsten Sinne des Wortes. In der Nacht zieht ein kräftiges Gewitter über die Cayman Lodge Amazonie hinweg.
Um halb fünf Uhr unser letztes gemeinsames Frühstück, gegen fünf besteigen wir das Holzboot, welches uns nach Puerto Maldonado zurückbringt. Es ist noch stockdunkel, doch unser Bootsführer steuert das Boot mit schlafwandlerischer Sicherheit über den Fluss. Ein Suchscheinwerfer ist zwar mit an Bord, aber er kommt kaum zum Einsatz. Ich frage, wie der Bootsführer den richtigen Weg durch alle Stromschnellen und Untiefen finde. Er orientiere sich an der Silhouette des Regenwaldes zu beiden Seiten des Río Tambopata.
Als es langsam hell wird, bietet sich uns ein dramatischer Anblick. Noch immer stehen zerrissene Wolken am Himmel, Überreste des Gewitters der vergangenen Nacht.
Da wir diesmal stromabwärts fahren, erreichen wir Puerto Maldonado bereits nach zwei Stunden. Wir verabschieden uns von den freundlichen Menschen, die uns zwei schöne Tage in der Cayman Lodge Amazonie beschert haben. Dann bringt uns der Bus zum Flughafen. Wir packen erneut um, diesmal für den langen Rückflug in Richtung Europa.
Wir verabschieden uns von Tine, die uns während der vergangenen drei Wochen eine Reisebegleiterin war, wie wir sie uns besser nicht hätten wünschen können. Danke für die schöne Zeit. Wir wünschen uns gegenseitig alles Gute, vielleicht sehen wir uns ja irgendwann einmal wieder. Es gäbe noch viel zu entdecken in Peru.
Nach dem Abheben der Maschine ein letzter Blick hinunter auf den Regenwald des Río Tambopata, den ich jetzt mit ganz anderen Augen sehe, als noch vor zwei Tagen. Dann kommt auch schon das mächtige Massiv des Nevado Ausangate in Sicht. Wenig später erreichen wir Cusco.
Tine verlässt uns nun, nach drei Wochen wird sie froh sein, erst einmal nach Hause zu dürfen. Ein letzter Gruß durchs Flugzeugfenster, dann hebt unsere Maschine auch schon ab in Richtung Lima. Als wir uns der Küste nähern, wartet schon der bekannte Garúa, der Lima in seine Dunstglocke hüllt.
Dann stehen uns noch ein paar Stunden Wartens auf unseren Flug zurück nach Europa bevor. Das Herumlungern und Zeittotschlagen auf Flughäfen zählt zu den weniger angenehmen Erfahrungen einer Fernreise. Eine bleiche, kraftlose Sonne verschwindet im Nebelgespinst des Garúa. Es ist bereits dunkel, als wir in Richtung Madrid abheben und das Lichtermeer von Lima hinter uns lassen. Morgen werden wir wieder in Deutschland sein.
Was bleibt, sind die Erinnerungen an eine schöne Reise durch den Süden Perus. Wir haben grandiose Landschaften gesehen, geschichtsträchtige Orte besucht, nette Menschen kennengelernt. Die Reise war von Papaya Tours perfekt organisiert, und, was mindestens genauso wichtig war und sich nicht planen lässt: unsere Reisegruppe hat gut harmoniert. Ihr wart ein tolles Team. Chapeau!
© QuiverTree 2012
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Papaya-Tours
Christine Pusch