Auf den Spuren des Polarfuchses (2009)
Unterwegs in der Wildnis Hornstrandirs
von Hartmut Schlichter
Prolog
Schuld an allem ist ein Reiseführer.
Lediglich einen Bewohner gebe es noch in Hornstrandir, auf dem Leuchtturm von Látravík. 580 Quadratkilometer unbewohntes Land, bis zu 530 Meter hohe Steilklippen, nahezu unberührte Wildnis. Eine der letzten in Europa. Kein befahrbarer Weg führe durch die subpolare Landschaft. Nur mit kleinen Booten könne man im Sommer die entlegenen Fjorde erreichen. Wer dorthin wolle, müsse für die gesamte Zeit Ausrüstung und Verpflegung mitnehmen. Außer Wasser. Das gebe es zur Genüge.
So etwa stand es in einem Reiseführer zu lesen, den ich an einem der langen nordischen Abende im August 2004, während meiner ersten Islandreise, vor dem Zelt sitzend, durchblätterte. Den letzten Anstoß gab ein Foto in dem wunderschönen Bildband Lost in Iceland des isländischen Fotografen Sigurgeir Sigurjónsson. Zwei einsame Wanderer unter einem wolkenverhangenen Himmel in einem Fjord in Hornstrandir. Engelwurz überwuchert das Treibholz an der Küste. Ein düsteres Bild. Nicht unbedingt ein Traumreiseziel.
Dorthin muss ich, dachte ich im Stillen. Lange dämmerte der Wunsch in meinem Hinterstübchen vor sich hin, geriet wieder in Vergessenheit, hatte sich aber hartnäckig festgesetzt. Viele geheime Wünsche bleiben einem als solche erhalten, manche gehen in Erfüllung. Im Sommer 2009 ist es soweit.
Zu viert, meine zwei Brüder Andreas und Michael, Ludwig, ein Freund von Andreas und ich, brechen wir nach Hornstrandir, im nordwestlichsten Winkel Islands gelegen, auf. In dieser Konstellation waren wir schon zusammen am Jubiläumsgrat zwischen Zug- und Alpspitze unterwegs, wir wissen also, dass wir gut harmonieren. Doch je näher die Reise rückt, desto mehr Zweifel kommen auf, ob wir den Anforderungen der Tour auch gewachsen sind. Zwar sind wir alle mehr oder weniger erfahrene Wanderer, aber mit einem wirklich schweren Rucksack war ich schon lange nicht mehr unterwegs. Alles, was wir auf unserer zehn- bis elftägigen Tour benötigen, müssen wir mit uns führen. Ein 15 Kilogramm schwerer Rucksack wäre ideal, hatte ich im Rahmen der Planung gedacht, aber es war mir klar, dass wir wohl kaum unter 20 Kilogramm bleiben würden. Als ich kurz vor unserer Abreise auf der Waage stehe, zeigt sie gut 25 Kilogramm für das Ungetüm auf meinem Rücken an (einen so schweren Rucksack hatte ich zuletzt vor mehr als 25 Jahren auf einer unserer Wintertouren durch die Westtatra in der Slowakei geschleppt). Hinzu kam die knapp vier Kilogramm schwere Tasche mit der Fotoausrüstung. Insgesamt fast 30 Kilo. Ein Spaziergang würde es nicht werden.
Andi und Micha sind Ärzte, Ludwig ist wie ich Physiker. So sollten wir für alle medizinischen und technischen Notfälle gerüstet sein. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn wir noch einen Koch in unserer Runde gehabt hätten. Vielleicht aber auch nicht, denn dann wären unsere Rucksäcke möglicherweise doppelt so schwer geworden.
Zu Hause das letzte richtige Mittagessen für die nächsten zwei Wochen, wir schlagen uns den Bauch mit Nudeln und Sauce Bolognese voll. Gemeinsam gehen wir ein letztes Mal die Ausrüstungsliste durch. Was wir jetzt noch vergessen haben, brauchen wir nicht. Unsere Tour kann beginnen.
Zuletzt aktualisiert am Montag, den 29. Dezember 2014 um 11:31 Uhr
vielen Dank für den ausführlichen Tourenbericht. Er hat uns sehr geholfen, unsere diesjährige Trekkingtour auf Hornstrandir zu planen.
Allerdings sind wir von Hornvik in den Veidileysufjördur abgebogen.
liebe Grüße
Ute
die Bemerkung mit den Hunden bezieht sich selbstredend nicht auf ganz Island, sondern auf Hornstrandir. Dort gibt es keine ständigen Bewohner (mehr), und das Fehlen von Hunden würde auch aus Naturschutzgründen Sinn machen. Ich glaube, das mal irgendwo gelesen zu haben, kann aber die Quelle nicht mehr belegen.
Wenn es Dich interessiert, kannst Du Dir auch meinen bebilderten Bericht über unser Laugavegur-Trekking im letzten Jahr anschauen (www.gallery.quivertree.de).
Kamtschatka steht auch auf meiner Wunschliste ziemlich weit oben. Sollte meine Planung diesbezüglich konkret werden, denke ich an Dich. In diesem Sommer geht es erst mal auf Trekkingtour in den Sarek in Nordschweden. Dann gibt es auch wieder einen Bericht. Und wir sehen uns wahrscheinlich Anfang Juni.
Ostergrüße aus dem (momentan) schneefreien Alpenvorland.
Hartmut
Nur, wie kommst du darauf dass es in Island keine Hunde geben sollte? Aus Island kommt der älteste züchterisch seit 1000 Jahre unveränderte und damit "urtümlichste" Rassenhund. Schau auf meine HP vorbei...
Falls du mal eine Kamtschatka-Reise planst, melde dich doch mal.
Viele Ostergrüße aus dem verdammt verschneiten Erzgebirge
Jobo